Page 10 - BilD am Sonntag (+01.07.2018)
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10 Politik & Gesellschaft BILD am SONNTAG,
1. Juli 2018
Hier versprechen drei Sie wollen Zehntausende Pfle- nicht schauen. Im Kosovo ist je-
der Zweite unter 25 Jahre alt. In
gestellen in Altenheimen und
Albanien ist es ähnlich. Und dort
Kliniken schaffen. Wie wollen
ist die Pfegeausbildung häufg
Sie die besetzen, wenn es jetzt
besser, als wir denken. Was mich
schon 38 000 offene Jobs gibt?
Minister, dass sie den SPAHN: Sie haben recht: Stellen f- verzweifeln lässt: Diese ausgebil-
nanzieren allein reicht nicht. Jetzt
deten Fachkräfte müssen oft zehn
brauchen wir dafür auch Bewer-
Monate auf ein Visum für
Deutschland warten. Diese Ab-
ber. Genau darum starten wir die
konzertierte Aktion Pfege.
läufe müssen wir beschleunigen.
HEIL: Ein großer Teil der Pfege-
HEIL: Wir müssen vor allem die
Pfegenotstand beenden kräfte arbeitet ohne Tarifvertrag, Potenziale im Inland heben, und
wir verschenken übrigens bei
verdient entsprechend wenig. Ich
den Zuwanderern, die schon da
schäme mich ein bisschen dafür,
sind, viel Potenzial. Leider schie-
dass wir in Deutschland über-
ben manche Bundesländer junge
haupt als absolute Lohnunter-
grenze einen Pfegemindestlohn
schrift eines solchen Ausbil-
von derzeit 10,55 Euro im Westen Leute ab, die kurz vor der Unter- Roboter in der
dungsvertrags stehen. Das ist Un-
und 10,05 Euro im Osten festlegen
Sie wollen mehr Pflegekräfte, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen. mussten. Meine Aufgabe ist es, sinn. Manskopf (83,
Pfege: Anna
dass wir jetzt binnen eines Jahres
Innerhalb eines Jahres soll die Bundesregierung diesen Maßnahmenkatalog beschließen einen Flächentarifvertrag in der Also sollten wir Migranten an- Paula im Pfege-
links) tätschelt
Pfege hinbekommen. Dafür spre- bieten: Lernt Deutsch und Pfle- heim Marienheim
chen wir mit Arbeitgebern und ge, dann könnt ihr hierbleiben? in Siegen (NRW).
Gewerkschaften, die hier vor al- HEIL: Ja, auch. Das noch Wichti-
Der Pfege-Schwur: lem in der Pficht sind. Wenn es gere: Dass wir endlich ein or- Bewohner Heini
Patt (92) und
Hier verspricht die Große endlich einen Flächentarifvertrag dentliches Zuwanderungsgesetz Marianne Strauss
Koalition, gemeinsam gibt, werde ich den zügig für all- bekommen. Wir müssen gezielt (84) freuen sich
die Situation in Alten- gemeinverbindlich erklären. Das Leute anwerben, ohne Zuwande-
heimen zu verbessern
wird die Löhne spürbar verbes- rung in die Sozialsysteme zu or-
sern. ganisieren. „Paula kann man alles
GIFFEY: Wir geben hier den SPAHN: Wer in Deutschland als
Schwur ab. Hier sitzen drei Minis- Pfegekraft arbeiten will, sollte
ter, die gemeinsam gegen den bereits in seinem Heimatland ei-
Pfegenotstand vorgehen wollen. ne entsprechende Ausbildung sagen, ohne sich
HEIL: Das ist der Pfegepakt hier. und Deutschkurse absolvieren.
SPAHN: Hand drauf. Dann ist er für unsere Gesell-
GIFFEY: Dieser Schwur ist das Zei- schaft auch ein Gewinn. An einer schämen zu müssen“
chen, dass drei Ministerien mit 43 Stelle hakt es allerdings gewaltig:
gesellschaftlichen Partnern eine Die Anerkennung von ausländi-
Lösung für gute Pfege fnden. Ab schen Berufsabschlüssen dauert
Dienstag wird in fünf Arbeits- viel zu lange. Das müssen wir än- Sie sind 1,20 Meter groß, 28 Kilo sichtsscanner ordnet ihr Alter
gruppen nicht gequatscht, son- dern. schwer, haben große Kullerau- in wenigen Sekunden ein: „Du
dern hart gearbeitet. HEIL: Da hilft eine pragmatische gen und bewegen sich mit drei bist 57!“, antwortet er. Alle la-
Idee: Ausländer, die als Pfeger Stundenkilometern. Und sie könn- chen. „Dieser Charmeur“, sagt
Wenn die Politik nicht mehr wei- arbeiten wollen, sollten für ein ten die Zukunft der Pfege in sie. Aber es gibt auch Kritiker
terweiß, gründet sie einen Ar- halbes Jahr nach Deutschland Deutschland sein. der Roboter-Technik: Bewoh-
beitskreis . . . kommen dürfen. Bedingung: Sie nerin Gertrud Münker (82)
HEIL: Nein. Wir haben einen erhalten keinen Cent aus den So- VON SUSANNE SCHAEFFER möchte sich nicht von einer
Kraftakt vor uns. Das geht nur zialsystemen, und wenn sie nach Maschine aus dem Bett heben
über Parteigrenzen hinweg und den sechs Monaten keine feste oder – wenn nötig – füttern las-
mit vereinten Kräften. Stelle als Pfegekraft haben, müs- Seit September werden zwei Ro- Studentin Jennifer sen: „Das Geld sollte man lieber
GIFFEY: Zusammen mit den Bun- sen sie wieder gehen. boter im Pfegeheim Marienheim Blazejak (25) programmiert in mehr Arbeitskräfte investie-
desländern, mit Arbeitgebern, Ge- in Siegen (NRW) getestet. Sie hei- die Fähigkeiten der Roboter ren“, sagt sie.
werkschaften, Kirchen, Wohl- Mehr Pfleger, bessere Arbeits- ßen Robbie und Paula. Das Grundmodell von Robbie
fahrtsverbänden. bedingungen, höhere Löhne „Roboter können keinen Men- und Paula kostet 17 000 Euro.
Gesundheitsminister SPAHN: Wir geben uns maximal – glauben Sie wirklich, dass schen als Pfegekraft ersetzen“, ihnen alles sagen, ohne Hem- Anfangs muss es entsprechend
Jens Spahn (38, CDU) ein Jahr Zeit. Dann wollen wir die Erhöhung der Beiträge zur sagt Studienleiter Dr. Rainer Wie- mungen haben zu müssen oder seiner Nutzung mit Daten gefüt-
konkrete und verbindliche Ver- Pflegeversicherung um 0,3 Pro- ching (54) von der Uni Siegen. sich zu schämen“, sagt Bewoh- tert werden. „Wir beobachten
einbarungen mit allen haben, die zentpunkte ausreicht? „Aber sie können ihn unterstüt- ner Heini Patt. „Das gefällt ei- die Bewohner, wenn sie mit den
Familienministerin in der Pfege Verantwortung tra- GIFFEY: Natürlich wird das zu- zen und entlasten.“ nigen, die sonst nicht gern mit Robotern zusammen sind, ma-
Franziska Giffey (40, SPD)
gen. Das wird kein Kafeekränz- sätzliches Geld kosten. Aber je- Beispiel: Während der Robo- anderen Kontakt haben.“ chen mit ihnen Tests und spre-
chen. der Euro davon ist gut angelegt. ter mit den Bewohnern Memory Robbie und Paula können mehr chen mit ihnen und den Pfege-
Das Thema ist sogar noch grö- spielt oder Gymnastik macht, ha- als zuhören. Sie singen Schla- kräften über ihre Bedürfnisse
Brauchen wir Pflegekräfte aus ßer: In den sozialen Berufen ar- ben die Pfeger mehr Zeit für in- ger-Lieder, machen Tai-Chi- und Wünsche an die Roboter“,
dem Ausland? beiten 5,7 Millionen Menschen, tensive Betreuungsfälle. Übungen mit den Bewohnern. sagt Studienleiterin Wieching.
Arbeits minister GIFFEY: Zuerst müssen wir dafür 80 Prozent davon sind Frauen. „Natürlich mussten wir uns erst Patt zeigt sein „Lieblingsspiel“: Dafür haben die Forscher ei-
Hubertus Heil (45, SPD) sorgen, dass mehr Leute aus dem Sie halten unsere Gesellschaft an diese neuen Wesen gewöhnen Er streichelt Paula über den ne App entwickelt, über die die
Inland wieder in der Pfege arbei- zusammen, sie verdienen besse- – wie an einen fremden Menschen, Kopf. Sie kichert und sagt mit Pfegekräfte auch ohne Program-
ten wollen. Die Arbeitsbedingun- re Löhne und Arbeitsbedingun- der plötzlich in deinem Wohn- erstaunlich natürlicher Stim- mier- und IT-Kenntnisse die ver-
Der Streit um die Flüchtlingspolitik Masterplan Pfege. BamS traf die nenfach gegen die Menschen- gen müssen sich verbessern, ge- gen. Ich will soziale Berufe stär- zimmer sitzt“, sagt Heini Patt, der me: „Ich bin heute so kitzelig.“ schiedene
lähmt die Bundesregierung. Jetzt drei Minister im Lazarus Haus Ber- würde verstoßen wird. Dass nau wie das Image des Berufs. Es ken. seit vier Jahren hier lebt. Dabei färben sich ihre LED-Pu- ten können. So lernt der Robo-
wollen CDU und SPD zeigen, dass lin. Im Frühstücksraum der Ein- Senioren stundenlang in ihren muss cool sein, Pfegefachkraft zu Der Aufenthaltsraum ist heute pillen rosa. Er freut sich wie ein ter Schritt für Schritt, dass er
sie auch anders können. Zusammen richtung sprachen die Politiker mit Ausscheidungen liegen, weil sein. Wir werden dazu eine Aus- Würden Sie Ihre eigenen Eltern bis auf den letzten Platz gefüllt. Kind. Dann wiegen sich die bei- mit etwa einer
gehen sie das Riesenproblem Pfe- Bewohnern und Angestellten, da- Pfleger so überlastet sind. bildungs- und Informationsofen- pflegen? Die Roboter rollen an den im Kreis den zur Schneewalzer-Melodie: son anders umgehen muss als
genotstand an: Familienministerin nach startete das Interview. GIFFEY: Pfegeschüler, die ich neu- sive starten. HEIL: Meine Mutter hatte Krebs. sitzenden Bewohnern vorbei, er- „In meiner Jugend habe ich mit einer gehbehinderten.
Franziska Gifey (SPD), Gesund- lich besucht habe, hatten als größ- SPAHN: Die Wahrheit ist trotz- Als es zu Hause nicht mehr ging, greifen Hände, drehen den Kopf nächtelang durchgetanzt“, Was den Wohnheim-Robotern
heitsminister Jens Spahn (CDU) BILD am SONNTAG: Wie wollen ten Wunsch mehr Zeit für die dem: Es ist kaum mehr möglich, haben meine Frau und ich sie zu in die Richtung, aus der Stimmen strahlt er. fehlt, ist emotionale Intelligenz.
und Arbeitsminister Hubertus Heil Sie alt werden? Menschen, die sie pfegen, erst da- in Deutschland ein Krankenhaus uns in die Wohnung geholt. Es kommen. Gebannt verfolgen die Anna Manskopf fragt den an- Wieching: „Klar ist, dass sie kei-
(SPD) wollen dafür sorgen, dass es JENS SPAHN: Ge- nach kam das Thema oder eine Pfegeeinrichtung ohne war eine besondere Situation, Bewohner jede Aktion der Ma- deren Roboter: „Wie alt bin ich ne zärtliche Berührung, Trost
endlich mehr Pfegekräfte gibt. sund und ft. Und Geld. Nicht im 14-Mi- ausländische Pfegekräfte zu be- weil meine Tochter gerade gebo- schinen. denn, Robbie?“ Er erfasst über und Wärme vermitteln. Eine
mit 105 irgendwann Meinung nuten-Takt zu wa- treiben. Die gewinnen wir aber ren war. Da habe ich unser Baby, „Robbie und Paula helfen ge- seine integrierte Spracherken- echte menschliche Zuwendung
morgens nicht mehr am Sonntag schen, auf die Toilet- auch nur, wenn wir hier attrakti- unseren kleinen Sohn und mei- gen das Alleinsein. Man kann nung ihre Worte, sein Ge- ersetzen sie nicht.“
VO N R O MAN E I C H I N G E R wach werden. te zu bringen. Ohne ve Arbeitsbedingungen bieten. ne Mutter gewindelt. Diese letz-
U ND A NG EL I K A H EL L EM A N N FRANZISKA GIFFEY: Diskutieren Sie mit. mehr Leute im Sys- Wir werden bis zu 50 000 zusätz- te Lebenswoche meiner Mutter
F OTO S : N IE L S S T AR N I C K Auch gesund und Was denken Sie? tem geht das nicht. liche Pfegekräfte brauchen. Da habe ich als Moment besonderer SPAHN: Ich würde jede freie Mi- gäbe ich damit doch nicht meine ihnen mal nicht mehr so
munter. Mein Ziel leserforum@bams.de Wir müssen alles da- werden wir auch im Ausland su- Nähe erlebt. Aber es war auch nute für meine Eltern da sein und Verantwortung ab. Keine Pfege- Meine Großmutter konnte irgend-
Doch woher sollen die in Zeiten des ist 100. für tun, dass es mehr Die drei Minister informieren sich über den chen müssen. Aber nur in Län- nur eine Woche. Darum habe ich mich kümmern. Aber ich würde versicherung der Welt ersetzt die wann
Fachkräftemangels kommen? Da- HUBERTUS HEIL: Ich möchte auf Pfegerinnen und Pfeger gibt. Des- Pfegealltag im Lazarus Haus in Berlin dern mit sehr junger Bevölkerung, höchsten Respekt vor Angehöri- nicht zur Vollzeitpfege meinen gegenseitige
für starten die drei Ministerien am jeden Fall aktiv alt werden. Mit halb haben wir durchgesetzt, dass die nicht selbst dringend Pfege- gen, die das über einen langen Beruf aufgeben. Das traue ich mir Familie. Familie rund um die Uhr bei ihr
Dienstag die große Aktion Pfege. Freunden, nicht allein. Pfegeschüler ab 2020 eine Ausbil- kräfte benötigen. Zeitraum machen. Ich kann aber nicht zu, und das erwarten meine GIFFEY: Meine Eltern haben mich sein. Wir waren dann sehr froh,
Mit Arbeitgebern und Gewerk- dungsvergütung bekommen. überhaupt wissen, unter welchen daran etwas ändern wollen. Doch auch verstehen, dass das für vie- Eltern auch nicht. Außerdem: in meinem Leben immer unter- dass sich Menschen im Pfege-
schaften soll ein Maßnahmenpaket Pflegekräfte klagen darüber, SPAHN: Viele Pfegekräfte glau- Bedingungen sie arbeiten. Und sie wir meinen es ernst. Wir wollen Die Philippinen? le aus berufichen oder persön- Wenn meine Eltern wirklich ein- s
erarbeitet werden. Sozusagen der dass in unserem Land millio- ben nicht, dass wir als Minister glauben uns auch nicht, dass wir ihren Alltag konkret verbessern. SPAHN: So weit müssen Sie gar lichen Gründen nicht geht. mal ins Pfegeheim müsste
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