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Behavioral Optometry
BOAF
Volume1 Number1 2012
gehen. Das visuelle System ist nicht direkt betroffen ist, wird jedoch durch den Automatis- mus involviert. In diesem Fall hat der Patient nur in Bauch- und Rückenlage ein binokulares Einfachsehen. Sobald er jedoch versucht, zu sitzen oder zu ste- hen, also versucht gegen die Schwerkraft an zu arbeiten, ver- liert er sofort die Kontrolle über sein Binokular-Sehen und be- ginnt zu schielen (Strabismus). Sein Gehirnprozess für Bewe- gungen ist nicht länger auto- matisiert und entscheidet sich gegen das Stürzen, da das „Ü- berleben“ in seinem Gehirnpro- zess Vorrang hat.
In diesem Fall ist es zu er- warten, dass die Verbesserung der zerbrechlichen visuellen Verarbeitung gegenüber seiner Bereitschaft, adäquat mit der Schwerkraft umzugehen ab- nimmt, mit der Konsequenz, dass seine Doppelbilder wahr- scheinlich zurückkehren. Aus diesem Grund sollte man im Idealfall beide Bereiche, den Automatismus genauso wie die Belastbarkeit trainieren, um die- se parallel zu verbessern.
In Anbetracht dessen wird klar, welch große Bedeutung das Sehen für den Gesamtver- arbeitungsprozess hat.
Das visuelle System ist so allumfassend im Gehirnprozess, dass es kaum Situationen gibt, in denen es nicht beteiligt oder zumindest in einem gewissen Grad involviert ist.
Weitere Beispiele für Symp- tome einer erworbenen Gehirn- verletzung zeigen sich als plötz-
liche Schwierigkeit zu accomo- dieren bei sekundärer Pre- presbyopie, was die Nahpunk- taktivitäten beeinflusst und sich auf die Fähigkeit des Patienten im Bezug auf seine Sprache und das geschriebene Wort auswirkt oder es kommt zu ei- ner Verschiebung der optischen Mittellinie , was das Geradeaus- Gehen schwieriger macht.
Wie bei einem Patienten, der in Folge einer Gehirner- schütterung möglicherweise nicht mehr in der Lage ist, seine Standard- Blickstabilisation zu erhalten, welche sich aber ver- bessern würde, sobald er seine visuellen Strategien wieder auf- gebaut hat. Ein weiterer wichti- ger Bereich sind die visuellen Felder des Patienten. Sie könn- ten eingeschränkt sein oder durch Halbseitenblindheit ein- seitig ganz verloren gehen, aber auch eine einseitige räumliche Unterdrückung (visueller Neglect) entwickeln. In diesen Fällen können die meisten Din- ge des täglichen Lebens wie Duschen oder Anziehen stark beeinträchtigt sein. Betrachtet man diese Auswertungen, Be- dingungen und Behandlung aus der visuellen Perspektive, soll- ten dem Patienten bessere Möglichkeiten geboten werden, um zu einer schnelleren und umfassenderen Genesung zu gelangen.
Wie erholt man sich neu- rologisch?
Die Erholung von einer er- worbenen Gehirnverletzung kann über viele Wege erfolgen.
Zuerst bemerkt man viel- leicht, dass einige Symptome sich spontan verbessern und erholen, obwohl andere Fähig- keiten weiterhin nur einge- schränkt vorhanden sind, je- doch nicht direkt beobachtet werden können. Eine andere wichtige Überlegung ist, dass die meisten Symptome und Konditionen unsichtbar sind, das heißt, wir können die Halb- seitenlähmung und die Sprachdefizite beobachten, während die meisten visuellen Folgen versteckt und nicht ohne weiteres zu bemerken sind.
Wenn visuelle Felder verlo- ren gehen, kann es sein, dass man Dinge übersieht und an- stößt oder umwirft.
Ein Reha-Therapeut hat gelernt, dass es sich um ein Begleit-Symptom der Halbsei- tenlähmung handelt und ahnt nicht, dass sich hier ein visueller Defekt verstecken könnte. Der Patient läuft, und stößt etwas um und glaubt, es sei die Folge seiner Ataxie (Störung der Be- wegungskoordination), obwohl es genauso gut sein kann, dass es sich um einen Kompromiss seines Binokular-Sehens han- delt und damit Auswirkungen auf die Fähigkeit seiner visuellen Lokalisation hat.
Es kann beobachtet wer- den, dass Regenerationen spontan sein können oder aber auch als Nebeneffekt durch eine Verminderung der Schwellung und/oder einer Blut-Resorption. Der wichtigste Faktor hierbei ist, so schnell wie möglich in Rich- tung visueller Funktionen zu
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