Page 490 - Wilhelm Wundt zum siebzigsten Geburtstage
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       Vordergrund,  doch  spielt daneben auch noch ein akustischer Reiz
       eine Rolle.  Ich setzte mich spät Abends müde an einen Tisch und
       wollte noch etwas lesen. Dabei saß die Lampenglocke nicht fest auf
       ihrem Gestell, sondern wackelte etwas hin und her, so dass das Licht
       zu flackern schien; zugleich entstand dadurch ein leichtes Geräusch.
       Plötzlich wurde die Leetüre unterbrochen und  ich sah einen Vogel,
       der in einem Käfig unruhig und lärmend umherhüpfte.    Der Käfig
       wurde ungefähr an die Stelle locaUsirt, wo die Lampe wirklich stand;
       die Sprungbewegungen des Vogels entsprachen dem Tact des Schwan-
       kens der Lampenglocke und des dadurch hervorgerufenen Wechsels
       der Lichtmenge,  die  auf meine Augen  fiel; der Lärm des Vogels
       correspondirte dem Geräusch der Lampe.
          Von weiteren peripheren Reizen  continuirlicher Art beeinflussen
       vornehmlich Tasteindrücke unsere Schlummerbilder. Auf der Eisen-
       bahn fahrend erinnerte ich mich an ein vor kurzem geführtes Ge-
       spräch über die »Versunkene Glocke«.  Ich sah dabei die Figur der
       Rautendelein vor mir,  sie schien zu schweben,  plötzlich schlug sie
       Purzelbäume auf Händen und Füßen;     in tactmäßigen Bewegungen
       erfolgten diese Sprünge von Händen zu Füßen u.  s. w.  Ich glaubte
       diesen Tact an mir selbst zu spüren und fand doch im Traume die
       tactmäßige Bewegung der Figur ungemein absurd,   als  ich erwachte
       und constatiren konnte,  dass  die Stöße von dem fahrenden Eisen-
       bahnzug in ganz dem gleichen Tact ausgingen.
          Nicht  selten  sind Schlummerbilder wie  das,  in dem  ich mein
       Kniegelenk geöffnet zu sehen glaubte, während ein im "Wachen nicht
       zur Wahrnehmung gekommener Kitzel am Bein zu Grund lag, oder
       jenes, in dem ein Jucken am rechten Unterschenkel die Vorstellung einer
       Stichwunde erweckte. Die dem tactilen Reiz entsprechende Berührungs-
       empfindung ist hier bereits mit einer optischen Vorstellung assimihrt.
          Besonders von der entzündlich gereizten Bindehaut des Auges können
       derartige Sensationen ausgehen, welche alsbald die Schlummerbilder
       nicht beeinflussen, während sie vor Eintritt des Schlafbewusstseins meist
       gar nicht percipirt worden waren; optische Vorstellungen sind dabei be-
       vorzugt.
          Als ich einst mit schmerzender Conjunctiva dalag und an psycho-
       logische Fragen  dachte,  tauchte mit dem Eintritt  des Schlafs  die
       Vorstellung auf,  ich  sei nahezu erblindet und spreche darüber mit
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