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weiter.   Im   Gegenteil    die   Fraktionsfremde  Angeklagten festgestellt. Er beantragte daher ein
          Angeklagte Ejs. Margrit Ackermann erhob gegen       etwas gemildertes Strafmass was das  „mitenand
          den ehrenwerten Bürgermeister noch (ich  kann es    schnurre“ betrifft, wegen dieser Fehlkonstruktion
          kaum aussprechen) den Stinkefinger.                 im Innern des Kopfes.
          Dieses    Vergehen    löste   bei   den   übrigen  Nach diesem Plädoyer wurde die 1. Angeklagte
          Sitzungsbesucher lauten Protest hervor, vor allem  Ejs. Irma Egli befragt. Diese äusserte, dass sie gar
          als sie sahen, dass der ehrenwerte Bürgermeister    nichts Böses wollte, schon in der Schule hätte sie
          wie   ein   Häufchen-Elend    auf  seinem   Stuhl  immer mit den Händen flaniert.
          zusammengesunken        war.    Sie   erstatteten  Der Verteidiger dieser Angeklagten Jj. Kurt Riner,
          umgehend Anzeig beim hohen Gericht.                 ein grosser stämmiger Mann, der eher wie ein
          Nach dem Paragraphen Ehrverletzung Absatz  Pfarrer aussah mit seiner schwarzen Kutte und dem
          216/6, 260/7, 123/5 und 344/4 ZGB.                  schwarzen Hut,  hielt nun ein Plädoyer das sich
          Das hohe Gericht liess nun von den im Saal  gewaschen            hatte.  Seine  Ausführungen    waren
          anwesenden, Verwandten, Bekannten, Freunden,        überzeugend und einleuchtend. Er holte aus seiner
          Neugierigen    und    sonstigen   Mitläufern,   6  Mappe einen Heiligenschein hervor und stülpte
          Geschworene wählen. Es wurden die folgenden Js.  diesen auf den Kopf der Angeklagten Ejs. Irma
          und Jj. als Schöffen gewählt:                       Egli. Er wollte damit den Anwesenden bildlich
          1. Ejs. Agnes Wüthrich                              vorführen, dass seine Mandantin absolut unschuldig
          2. Ejs. Uschi Rübli                                 sei. Eine Frau mit einem solchen Heiligenschein ist
          3. Jj. Noldi Schuler                                überhaupt nicht in der Lage zu lügen. Dies waren
          4. Ejj. Edy Ruppli                                  seine Schlussworte bevor er sich wieder setzte. Mir
          5. Jj. Fredi Ackermann                              schien als hätte er etwas Schaum vor dem Mund so
          6. Jj. Peter Bucher                                 hat er sich ins Zeug gelegt.
          Nun rief der Richter die drei Angeklagten nach      Der  2. Verteidiger  Jj. Andy Riner, ein jüngerer,
          vorne. Sofort setzten sich die drei      mangels  drahtiger, schlanker Mann ebenfalls mit grosser
          Stehvermögen         und     vorübergehenden  Nase und langen Haaren erhob sich und erklärte,
          Schlotterknien auf die vorbereiteten Stühle. Der    dass er an diesem besagten Abend nicht anwesend
          Gerichtsdiener mit seiner kräftigen,  dunklen  gewesen sei, den Tathergang hätte ihm seine
          Stimme herrschte die Angeklagten an: „Wer hat       Mandantin Js. Marlies Riner wahrheitsgetreu unter
          Euch erlaubt sich zu setzen?“ Blitzartig standen    Tränen geschildert. Mir fällt auf, dass der 1. und 2.
          die drei Frauen wieder auf, hielten sich aber  Verteidiger und eine Angeklagte den gleichen
          vorsichtshalber an den Stühlen fest, um wegen  Namen tragen. Ist das Zufall, oder gar ein
          oben genannter Schwächen nicht hinzufallen.         Familienkomplott a la Mafia? Jedenfalls plädierte
          Der Richter fragte die drei Angeklagten:  „         auch der Verteidiger von Js. Marlies Riner auf
          Bekennen sie sich schuldig oder nicht schuldig.“    unschuldig.
          Die drei Damen flüsterten oder hauchten ein kaum  Der  3. Verteidiger  Ejj. Louis Warthmann, ein
          hörbares „nicht schuldig“. Daraufhin bekamen die  untersetzter, behäbiger, jedoch gut beleibter Mann
          drei Angeklagten vom Richter die Erlaubnis sich     mit weissen Haaren versuchte mit allen Mitteln die
          zu setzen.                                          Unschuld seiner Mandantin Ejs Margrit Ackermann
          Der  Staatsanwalt,  ein etwas skurriler älterer  darzulegen.      Er   lobte  seine   Mandantin    und
          Mann, mit kleinen listigen Aeuglein und einer  argumentierte, dass sie niemals den Stinkefinger
          riesengrossen Nase die fast das ganze Gesicht  gegenüber jemandem erheben würde, sondern sie
          bedeckte, hielt nun sein Eröffnungsplädoyer. Er     sich einfach im Haar gekratzt habe. Die Angeklagte
          hatte die drei Angeklagten beim städtischen  staunte Ihren Verteidiger an, lachte und kicherte
          Laboratorium für Gas-       und Wasserleitungen  dauernd. Glaubte sie wohl selbst nicht so ganz an
          untersuchen lassen. Das Gutachten ergab, dass die  die Unschuldsbeteuerungen ihres Verteidigers?
          Anschlüsse im Kopf bei allen drei Angeklagten in    Nach seinem glanzvollen Plädoyer schaute er in die
          Ordnung sei. Es wurde weiter festgestellt, dass die  Runde, wie wohl seine Ausführungen gewirkt
          Kehlköpfe mit dem Halszäpfli verbunden sei, dies    haben und setzte sich dann erschöpft auf seinen
          bewirke im unteren Teil des Kopfes einige  Stuhl.
          Verwirrung    in  Form des  „schnurrens“      und  Nun meldete sich der Kläger  Ejj. René Egli und
          ständigem strecken des Zeigefingers gegen eine      beantragte die Zeugen zu vernehmen, die alles
          Person. Dieser Befund wurde bei allen drei  gesehen hätten. Verschiedene Zeugen wurden nun
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