Page 36 - Materie: Ein anderer Name für Illusion
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seiner Hand. Derselbe Mensch stellt sich das Bild der Teetasse

                                                                           in seinem Gehirn vor, und fühlt den Geruch und den Ge-
                                                                           schmack des Tees in seinem Gehirn. Jedoch begreift er nicht,
                                                                           dass er tatsächlich nur Kontakt mit der Kopie von  Tee inner-
                                                                          halb seines Gehirns hat. Er nimmt an, dass er direkten Kontakt
                                                                        mit dem Original des Glases hat das Glas außerhalb von ihm exis-
                                                                    tiert, und er spricht zu seinem Freund, dessen Bild wiederum in sei-
                                                              nem Gehirn gebildet wird. Tatsächlich ist dies ein außergewöhnlicher Fall.

                                                        Die Annahme, dass er das originale Glas berührt und dass er den originalen Tee
                                           trinkt, indem er die Härte und Wärme der Tasse und den Geruch und den Geschmack fühlt,
                  zeigt uns die erstaunliche Klarheit und Vollkommenheit der Sinne, welche innerhalb seines Gehirns existieren. Der
                  bekannte Wissenschaftsphilosoph des 20. Jahrhunderts, Bertrand Russell, schrieb in diesem Zusammenhang Fol-
                  gendes:

                       Was den Tastsinn angeht, so tritt, wenn wir mit unseren Fingern auf einen Tisch pressen, dabei ein störender elektri-
                       scher Einfluss auf die Elektronen und Protonen der Fingerspitzen auf, der gemäß der modernen Physik aufgrund der
                       Nähe der Elektronen und Protonen der Tischoberfläche hervorgerufen wird. Wenn die gleiche Störung in unseren

                       Fingerspitzen auf andere Weise verursacht würde, müssten wir dasselbe Gefühl haben, obwohl da kein Tisch
                       wäre. 11
                       Der Punkt, den Russell in Betracht zieht, ist überaus wichtig: Denn tatsächlich, wenn unseren Fingerspitzen auf
                  andere Weise Reize gegeben werden, können wir sehr unterschiedliche Gefühle wahrnehmen. Dies kann heute

                  durch mechanische Simulatoren bewirkt werden. Mit Hilfe eines speziellen Handschuhs kann ein Mensch empfin-
                                            den, dass er eine Katze streichelt, einem Mensch die Hand schüttelt, seine Hände wäscht,
                                              oder einen harten Gegenstand berührt, obwohl nichts davon wirklich stattfindet. In Wirk-
                                               lichkeit hat nichts davon ein materielles Gegenstück in der Außenwelt. Dies ist ein Be-
                                                          weis, dass der Mensch alle Gefühle, die er empfindet, in seinem Gehirn
                                                            wahrnimmt.


                                                             Wir können die äußere Welt, die innerhalb

                                                              unseres Gehirns entsteht, tatsächlich niemals

                                                              erreichen

                                                                   Alles, was wir erfahren, sehen und fühlen, entsteht in unserem Gehirn.
                                                               Jemand, der auf einem Stuhl sitzt und aus dem Fenster schaut, fühlt die

                                                               Härte des Stuhls, die Glätte des Stoffs in seinem Gehirn. Der Geruch des
                                                               Kaffees, der aus der Küche kommt, entsteht im Gedächtnis, nicht in der
                                                               Küche. Die Aussicht auf den See, die Vögel und die Bäume sind Bilder, die
                                                               in unserem Gehirn entstehen. Der Freund, der ihm Kaffee serviert, und der
                                                                                       Geschmack des Kaffees existieren im Gehirn. Kurz,
                                                                                       jemand, der in seinem Wohnzimmer sitzt und aus
                                                                                       dem Fenster schaut, sieht in Wirklichkeit sein

                                                                                       Wohnzimmer und die Aussicht aus dem Fenster in
                                                                                       seinem Gehirn. Der Mensch definiert demnach alle
                                                                                       Wahrnehmungen, die er in seinem Gehirn sieht
                                                                                       und die in einer Weise zusammengebracht werden,
                                                                                      dass sie für ihn eine Bedeutung ergeben, als "sein
                                                                                     Leben" und er kann nie aus seinem Gehirn hinausge-
                                                                                    hen.
                                                                                        Wir können niemals wissen, wie die wahre Natur
                                                                                   der materiellen Welt außerhalb von uns beschaffen ist.

                                                                                  Wir können nicht wissen, ob beispielsweise das Grün
                                                                                  eines Blattes außerhalb unseres Gehirns genauso exis-
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