Page 38 - Materie: Ein anderer Name für Illusion
P. 38
Dass Sie das Buch, welches Sie
jetzt lesen, in Ihrer Hand fühlen,
ändert nicht die Tatsache, dass Sie
dieses Buch innerhalb Ihres
Gehirns sehen. Denn wie das Bild
des Buches entsteht auch der
Tastsinn in Ihrem Gehirn.
tiert, wie wir es sehen, oder nicht,
oder ob der Geschmack des Zu-
ckers, den wir essen, in der Tat
süß ist oder ob unser Gehirn ihn
nur so wahrnimmt. Es ist für uns
unmöglich, dies zu erfahren. Stel-
len Sie zum Beispiel eine Land-
schaft vor, die Sie vorher gesehen
haben. Diese Landschaft ist nicht
vor Ihnen, sondern Sie sehen sie
in Ihrem Gehirn.Die Wissen-
schaftsautorin Rita Carter erklärt
folgendermaßen, warum wir die
tatsächliche Welt nicht sehen
können:
Wann immer wir uns an ein gegebenes Objekt erinnern, ein Gesicht oder eine Szene, bekommen wir nicht eine exakte
Nachbildung sondern eine Interpretation, eine neue Version des Originals... Obwohl sie als gute Kopien erscheinen,
sind sie oft ungenau und unvollständig. 12
In der Tat gibt es keinen Unterschied dazwischen, die Landschaft aus einer Entfernung vozustellen, und sie
nahe zu sehen. Deswegen sehen Sie tatsächlich nicht das Original sondern eine Version, die im Gehirn gebildet
wird, wenn Sie eine Landschaft anschauen.Jemand, der darüber gründlich nachdenkt, wird diese Wahrheit sehen.
George Berkeley drückt diese Wahrheit in seiner Arbeit "Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Er-
kenntnis" so aus:
Durch das Sehen habe ich eine Vorstellung über das Licht und die Farben mit ihren Abstufungen und Variationen.
Durch die Berührung nehme ich die Härte und Weichheit, die Wärme und Kälte, die Bewegung und den Widerstand
wahr... Das Riechen lehrt mich die Gerüche, das Schmecken lehrt die Geschmäcke und das Hören lehrt die Töne....
Da einige dieser Sinne gemeinsam betrachtet werden, wurde ihnen ein gemeinsamer Name gegeben und sie werden
für eine Einheit gehalten. Auf diese Weise, wenn eine Farbe, ein Geschmack, eine Gestalt und eine Festigkeit in einer
bestimmten Anordnung betrachtet werden, werden sie als etwas angesehen, das beispielsweise mit dem Wort Apfel
definiert wird; die Sammlungen anderer Eindrücke bilden einen Stein, einen Baum, ein Buch und ähnliche Dinge... 13
Die Tatsache, die Berkeley in diesen Worten äußert, ist: Wir definieren ein Objekt nur dann, wenn unterschied-
liche Wahrnehmungen, die wir im Gehirn erleben, interpretiert werden. Wie in diesem Beispiel werden der Ge-
schmack und Geruch eines Apfels, seine Härte, Form, seine rote Farbe und all seine anderen Eigenschaften in
unserem Gehirn als Ganzes wahrgenommen und wir nennen dieses Ganze "Apfel". Aber wir können mit dem Ori-
ginal des Apfels niemals konfrontiert sein. Was wir sehen, riechen, schmecken, tasten oder hören, sind nur die Ko-
pien dieser Gegenstände innerhalb unseres Gehirns.
Wenn wir über alles, was bisher erklärt wurde, noch einmal gründlich nachdenken, wird diese Wahrheit ganz
deutlich werden. Zum Beispiel;
• Wenn wir im Gehirn, wo es kein Licht gibt, eine Straße mit glänzenden, farbigen Lichtern sehen können, dann
sehen wir nur die Kopien dieser Straße, der beleuchteten Reklametafeln, der Schaufenster, der Straßenlampen und
der Scheinwerfer der Autos, die in unserem Gehirn aus den elektrischen Impulsen entstehen.
36 MATERIE, EIN ANDERER NAME FÜR ILLUSION