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INTERVIEW
GM GERHARD SCHEBLER
Großmeister Gerhard Schebler (geb. 1969) stammt aus Duisburg. 1995 wurde er Internationaler Meister, seit 2004 trägt er den Titel des Großmeisters. Im Jahr 2007 wanderte nach Thailand aus.
1) Herr Schebler, was hat Sie dazu bewogen, nach Thailand auszuwandern?
Zurückblickend komme ich zu dem Schluss, dass es mehrere Gründe für meine Auswanderung gab. Zum einen hatte ich durch das Internet meine spätere Frau kennengelernt und zum anderen waren innerhalb kurzer Zeit Vater und Mutter verstorben. Somit existierten keine familiären Bindungen mehr. Nach meiner ersten unvergesslichen Reise in das Inselparadies Koh Samui und später noch Koh Pangnan stand mein Entschluss auszuwandern schnell fest. Zu den natürlichen Schönheiten Thailands kamen dann noch das sehr gute Essen und die ganzjährig angenehmen Temperaturen hinzu. Den Kloß im Hals auf dem ersten Rückflug nach Deutschland werde ich ebenfalls nicht mehr vergessen und nahezu 50 Prozent der Insassen nahmen das von der Stewardess gereichte Taschentuch gerne in Anspruch. Schluchz...
2) Thailand verbindet man in der Regel mit Urlaub, weniger mit Schach. Wie kann man sich die Schachszene in Thailand vorstellen?
Die Schachszene in Thailand ist noch recht überschaubar, bedingt auch durch das populärere Thai-Schach gelingt es dem internationalen Schach nur langsam Fortschritte zu erzielen. Da aber immer mehr Schulen nun auch Schachaktivitäten anbieten, steigt nun auch die Anzahl der Jugendturniere und sonstiger Aktivitäten rund ums Schach. Auch die früher noch kleineren Turniere in Bangkok haben mittlerweile mehr als 200 Teilnehmer, während das Bangkok Chess Club (BCC) Open jährlich mehr als 300 Spieler aus zig Ländern anzieht. Ich kann das letztgenannte Turnier nur wärmstens empfehlen, da die jeweilige Austragungsstätte und das Organisationsteam um Kai Tuorila kaum Wünsche offen lassen.
3) Wie sehen Sie die Entwicklungschancen für Thailand im Schach? Gibt es zum Beispiel im Nachwuchsbereich große Talente?
Natürlich gibt es hier einige Talente, vor allem in den jüngeren Altersgruppen.Allerdings wird man sehen müssen, wie sich deren weitere Entwicklung vollzieht. Da das Training diverser Schachakademien und Schachschulen nicht durch die Schachföderation gelenkt wird bzw. noch kein etwaiges Kadersystem ähnlich dem Deutschen vorliegt, wird es mit dem 1. Internationalen Meistertitel vielleicht noch ein paar Jahre dauern. Erschwerend kommt die insgesamt geringe Anzahl der Open hier und in der Region hinzu. Des Weiteren spielen natürlich Geld und Zeit eine große Rolle. Für die meisten Jugendspieler ist es durch schulische Aktivitäten kaum möglich mehr als 2-3 Open pro Jahr zu spielen. Das ist natürlich ein bisschen wenig, um Internationale Titel zu erringen.
4) Zu Beginn Ihrer Zeit in Thailand waren Sie für den thailändischen Schachverband tätig, doch es kam zu Schwierigkeiten, weshalb Sie Ihren Job kündigten. Was genau war vorgefallen?
Vor einigen Jahren hielt ich ein 160-stündiges Intensivtraining mit einigen Nationalspielern und weiteren Kandidaten ab. Gerne wäre ich daraufhin auch Nationaltrainer geworden, allerdings erfand die FIDE damals die neue Regelung, dass nur noch FIDE-Trainer Zugang zu den Spielsälen bei Olympiaden etc. gewährt wird. Da ich zu jener Zeit nur den GM-Titel trug, kam eine weitere Kooperation nicht zustande. Von Schwierigkeiten kann man ansonsten nicht reden und ich pflege seither ein gutes Verhältnis zur Föderation. Den FIDE- Trainertitel habe ich mittlerweile erhalten und man wird sehen, was die Zukunft bringt.
5) Arbeiten Sie heutzutage immer noch als hauptberuflicher Trainer oder gehen Sie auch einer anderen Arbeit nach?
Ich würde Onlinetraining sowie Turnierbetreuung und gelegentliches Intensivtraining in Malaysia und Singapur als Schwerpunkt sehen, neben gelegentlichen Artikeln und der Betreuung von Schachurlaubern. Neue Schüler sind stets gerne willkommen. Mittlerweile habe ich über 25 Jahre Erfahrung im Trainingsbereich. Meine Schüler konnten dabei zahlreiche Landesmeistertitel gewinnen.
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R O C H A D E E U R O PA MAI 2017