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Ich glaube, es ist erst seit Kurzem so, erst, seitdem ich
weiß, dass es überhaupt möglich und erlaubt ist, darüber zu
entscheiden. Es war aber sicherlich schon immer so, dass es
viele Momente gab, in denen ich mich nicht damit
identifizieren konnte, weiblich zu sein oder die Rückmeldung
bekommen habe, dass ich die Erwartungen, die damit verbunden
sind, nicht gut erfülle. Nach meinen ersten Versuchen habe
ich mich trotzdem dazu entschieden, vorerst eine Frau, also
Frau Nora Kassan, zu bleiben, auch wenn mir das eigentlich
nicht gefällt und ich es nicht so gerne bin. Mich dagegen
zu entscheiden, würde mich gerade aber viel zu sehr
anstrengen. Das habe ich schon nach den wenigen Versuchen
gespürt.
Ich mag die Vorstellung, dass Menschen sich auch im sozialen
oder gesellschaftlichen Kontext wohlfühlen und so angenommen
werden, wie sie sind. Vielleicht erlebe ich das auch
irgendwann. Ich wünsche es dir von ganzem Herzen, Clara,
dass Du sein darfst, wer auch immer Du sein willst und dass
Du Dich wohl damit fühlst, und allen anderen Menschen auf
dieser Erde wünsche ich das auch.
Ich persönlich glaube: Was mir dabei hilft, so zu sein, wie
ich sein will, das hilft auch der Gesellschaft dabei,
insgesamt gerechter und offener zu werden; und was zur
gesellschaftlichen Gerechtigkeit und Offenheit beiträgt, das
hilft auch mir persönlich dabei, mich in meinem
Selbstverständnis wohlzufühlen. Zumindest in dieser Hinsicht
hänge ich mit dieser Gesellschaft, in der ich lebe, sehr eng
zusammen; oder etwa nicht? Was denkst Du darüber?
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