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23_Festival_BF33 08.08.2006 12:06 Uhr Seite 23
FESTIVALS
Deutschland
hilft der eigene Bekanntheitsgrad, weil Ver-
leiher und Einkäufer gern die Chance nutzen,
„bei den Screenings testen zu können, ob ihr
Film vom Publikum akzeptiert wird“.
Außerdem kann sich Stefan auf ein bewähr-
tes Team verlassen, dessen Filmauswahl für
stabile Qualität bürgt und in einem zuneh-
mend reiferen Filmgeschmack Niederschlag
findet. So bestätigte sich die Entwicklung
fort von der simplen Horrorkost zu einem
anspruchsvolleren, breitgefächerten Pro-
gramm. Der Abschlussfilm „The Science of
Angst in der Sleep“ von Michel Gondry punktete mit ver-
Foto: Fantasy Filmfest Intruder“ und spieltem Kreativcharme und setzte die Art-
Vorstadt in „The
house-Tendenz fort, zu der auch der enig-
in „Neighborhood
matische Mystery-Noir „Starfish Hotel“ und
Watch“
der surrealistische Alb-
traum „Strange Circus“,
20 Jahre Fantasy Filmfest beide aus Japan, sowie
das Indie-Drama „The
Hidden“ gehörten.
Selten näher Ein Schwerpunkt lag
dabei auf der „New
Wave of British Heavy
an der Realität Horror“. Als Eröff-
nungsfilm wurde die
Splatterkomödie „Se-
verance“ von Christopher Smith („Creep“)
München – Das Fantasy Filmfest feiert einen runden Geburtstag und kann
begeistert aufgenommen, eine Mischung aus
auf nunmehr zwei Jahrzehnte Tradition zurückblicken. 67 Premieren und „The Office“ und Backwood-Blutgericht. Zu
eine Kurzfilmrolle touren vom 18. Juli bis 16. August durch acht Städte. besagter Kategorie zählen auch der hand-
Publikum, Verleiher und Einkäufer sind begeistert dabei. werklich lupenreine Schocker „Isolation“, der
grimmige Survival-Thriller „Wilderness“ und
„Gruseliger als dieser Film ist die Tatsache, offiziell, da nicht gelistet, das zweitgrößte das Monstermovie „Wild Country“. Den deut-
dass ich hier schon seit 20 Jahren stehe“, deutsche Filmfestival – direkt nach der Berli- lichsten Trend setzten von der Stimmung
scherzte Festivalleiter Rainer Stefan von nale mit 186.000 Zuschauern. des 11. September beeinflusste Thriller wie
Rosebud Entertainment gut gelaunt, aber Die Filmauswahl erfolgte sorgfältiger als in „Civic Duty“ um einen merkwürdigen arabi-
auch etwas nachdenklich am Eröffnungstag den Jahren zuvor – es gab keinen nennens- schen Nachbarn, die Terroranschlagstragö-
in München. Seit dem Start 1987 hat sich viel werten Ausreißer nach unten –, zugleich aber die „Right At Your Door“ und die verstörende
geändert: Aus einem kleinen Szenetreff wur- fehlte ein richtiges Meisterwerk. Das hätte Vorstadtgroteske „Neighborhood Watch“
de ein Genremekka mit einer weit jenseits des mit Guillermo del Toros „Pan’s Labyrinth“ und die Paranoiavision „A Scanner Darkly“
B-Horrors liegenden breiten Filmauswahl, die auch als Eröffnungsfilm laufen sollen, wurde nach Kultautor Philip K. Dick. Der Horror war
ein treues Publikum bedient und der Indus- aber kurzfristig vom Weltvertrieb abgesagt. selten näher an der Realität als in diesem Jahr.
trie einen verlässlichen Testpool bietet. Nach- Wunschkandidaten wie Darren Aronofskys Erstmals wurde heuer ein Publikumspreis
dem der Weggang von Koleiter Schorsch „The Fountain“ oder Jens Liens „The Brother- ausgelobt, der, sobald ein Sponsor gefunden
Müller kompensiert war, kam es in München some Man“ waren ebenso unerhältlich. „Nur ist, dotiert werden soll und damit junge
wegen der Fußball-WM zu einer fünftägigen ein Drittel der Filme, die wir wollen, bekom- Regisseure, deren Filme in der Reihe „Fresh
Terminüberschneidung mit dem Filmfest men wir auch“, meint Stefan, will sich aber Blood“ laufen, finanziell unterstützen wird.
München, was sich trotz unterschiedlicher nicht beklagen. „Schließlich geht es jedem Das an einer Highschool angesiedelte, frene-
Zielgruppen dennoch spürbar bei den Besu- anderen Festival genauso.“ Vor allem, seit sich tisch aufgenommene Noir-Krimistück „Brick“
cherzahlen niederschlug. Dank des neuen Venedig verstärkt für Genrefilme interessiert, wird diesen Preis aller Voraussicht nach ge-
Spielorts Bochum und fabelhafter Ergebnisse ist eine harte Konkurrenzsituation eingetre- winnen und gehört darüber hinaus zum Bes-
in Köln sollten aber auch dieses Jahr wieder ten, bei der um fast jeden Film gekämpft wer- ten, was dieses Jahr zu entdecken war. Den
mehr als 120.000 Kinogänger verzeichnet den muss. Und selbst Toronto, Hamburg und Gesamtsieger kann man ab 16. August unter
werden. Mit dieser stabilen Marke ist man in- Hof stecken mitunter ihre Fühler aus. Dafür www.fantasyfilmfest.com finden. tk
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