Page 33 - Strategie Sonderheft 2021
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16. Von der Freigebigkeit und Knauserei
Wer freigebig ist, findet viele Freunde. Politik. Fußballclub. Lottogewinn = Lebenserfahrung. Allerdings ist der Aufwand, will man wirklich bemerkt werden, hoch und kann direkt in die Pleite führen. Spart man, gilt man als „knauserig“.
Nichts verzehrt sich so sehr wie die Freigebigkeit. Indem man sie ausübt verliert man aber die Möglichkeit, sie aus- zuüben. Man wird arm und verächtlich oder, um der Armut zu entgehen, raubgierig und verhasst. Vor Hass und Ver- achtung aber muss ein Fürst sich sehr hüten. Der Vorwurf der Knauserei ist eher hinzunehmen.
17. Von der Grausamkeit und Milde, und ob es besser ist, geliebt oder gefürchtet zu werden
Ein Fürst muss danach trachten, als milde zu erscheinen. Doch muss er darauf bedacht sein, die Milde nicht ver- kehrt anzuwenden. Cesare Borgia galt als grausam. Doch hat diese Grausamkeit der Romagna Ruhe und Ordnung zurückgebracht. Frieden und gutes Leben war die Folge.
Ist es nun besser geliebt oder gefürchtet zu werden? Eine gute Ausgewogenheit zwischen beiden Elementen wäre anzustreben. Wenn aber Verzicht angesagt ist, dann ist es besser gefürchtet als geliebt zu werden. Menschen sind undankbar und wankelmütig, voller Angst und voller Gier. Solange sie von dir Vorteile ziehen, sind sie dein mit Leib und Seele. Solange die Not fern ist, sind sie bereit für dich einzu- treten. Doch kommt die Not heran, dann empören sie sich.
Dankbarkeit ist ein Band, das bald zerrissen wird. Gekaufte Freunde sind keine Freunde. Freunde sind die, die durch Großherzigkeit und nicht durch Geld gewonnen wurden.
Empfehlung: Das Band der Furcht ist die Angst vor Strafe. Ein Fürst, der sich „gefürchtet“ machen will, muss darauf
achten, dass er, wenn schon nicht Liebe, so doch keinen Hass erzeugt. Man kann gefürchtet sein ohne gehaßt zu werden. Das wird gelingen, wenn er das Eigentum und die Frauen seiner Untertanen nicht anrührt.
18. Inwieweit die Fürsten ihr Wort halten sollen
Es ist rümlich redlich und treu zu leben. Listig wie ein Fuchs zu agieren ist erlaubt: Mit List kommt man weiter. Es gibt die Waffen des Rechts und der Gewalt. Beide muss ein Fürst einsetzen können. Wenn es dem Fürsten schadet, soll er sein Wort besser nicht halten. Es ist nicht nötig, alle Tu- genden zu leben. Es reicht wenn er Milde, Treue, Mensch- lichkeit, Redlichkeit und Frömmigkeit zu Schau stellt! Er kann sie besitzen, muss sie aber auch in ihr Gegenteil verkehren können.
Der Fuchsnatur ein gutes Ansehen geben, ein Meister in Sachen Heuchelei und Verstellung zu sein: Einer will immer betrogen sein! Papst Alexander VI handelte in dieser Art.
19. Von der Notwendigkeit, sich vor Hass und Verach- tung zu hüten
Verhaßt macht sich ein Fürst durch Habgier und wenn er die Hand nach dem Eigentum und nach den Frauen seiner Untertanen ausstreckt. Wenn man der Allgemeinheit nicht Gut und Ehre raubt, ist sie zufrieden.
Wenn das Volk seinen Fürsten schätzt, braucht er sich nicht zu sorgen. Ist es ihm feindlich gesinnt und haßt es ihn, dann gibt es nichts und niemand, den er nicht fürch- ten müsste.
Hinweis: Hass und Verachtung schüren das Motiv nach Ver- schwörung und Umsturz. Gefahren von außen können durch ein gutes Heer abgewehrt werden. Die Gefahr nach innen ist jedoch schlimmer und nicht zu unterschätzen.