Page 38 - Strategie Sonderheft 2021
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        schnell aber gewalttätig. Insbesondere die Romagnia wird „befreit“ und „befriedet“. Die Stadtoberen, das sind die Bürger, die Kaufleute aber auch die Edelleute (primi). Sie alle haben Angst. Sie haben Angst vor ihren Nachbarn, beispielsweise vor Venedig und Bologna, aber auch vor den Eroberungsfeldzügen diverser Kriegshelden der damaligen Zeit. Die Borgias, später dann Julius II aber auch Kaiser und Könige ziehen herum und eignen sich viele Besitztümer, auch von alteingessenen Familien an.
Was bedeutet Macht wenn sie „strategisch“ eingesetzt wird? Aus Sicht Niccoló Machiavellis ist „mächtig“ und er- folgreich derjenige, der Geld (...für Leihsoldaten, zum Kauf der Verbündeten), Geist, Durchsetzungsvermögen und die besten Kooperanten hat. Nach heutigem Verständnis sind Koalitionen, Netzwerke und Verbände eine gute Basis für Erfolg! Borgias strategischer Ansatz ist „Herrschaft durch Stärke, durch die Verbreitung von Angst und Schrecken“. Erfolge auf dieser Basis sind offenkundig zeitlich begrenzt. Cesare Borgia scheiterte an seinem persönlichen Gel- tungswahn aber auch daran, dass sein Vater (Alexander
VI) plötzlich starb, er damit seinen Hauptprotektor verlor und er nicht Willens war, mit dem Nachfolger Julius II zu kooperieren.
Piero Soderini, der auf Lebenszeit gewählte Gonfaloniere der florentinischen Regierung, ist gerade 10 Jahre im Amt. Dann muss auch er fliehen. Seine Strategie war eine des Ausgleichs und der Allianzen. Aber: Falsche Entschei- dungen, ewiges taktieren, letztlich die eigenen Interessen in Frankreich und eine krasse Fehlbeurteilung der Lage durch Machiavelli ermöglichen es der Familie Medici, nach Florenz zurückzukehren. Am 1. September 1512 ziehen Giuliano de Medici und sein Neffe Lorenzo in Florenz ein. Mit der Auflösung des großen Rates muss auch Machiavelli zurücktreten. Beide überleben den neuerlichen Macht- wechsel und gehen ins Exil. Der Unterschied: Soderini
wird in Siena aufgenommen, er ist viel älter und er hat Geld, Machiavelli ist knapp über 40 Jahre und hat lediglich geringes Vermögen. Er bleibt in seinem Landhaus am Rande der Stadt Florenz.
Nach der eigenen Entlassung im Jahre 1512 kommt Machiavelli zu dem Schluss, dass Cesare Borgia durch „fortuna“ die Romagna erobern konnte. Glück allein reicht für Erfolg aber offenbar nicht aus. Die andere Komponente sieht er in „virtù“ - nennen wir es Charisma, Lebenskraft, Motivation.....! Mit dieser Kraft erreicht man die Zuwen- dung des Volkes. Er sieht in Soderini den Gonfaloniere,
 



























































































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