Page 32 - Pohadka - Ein Märchen in Bildern, Worten und Musik
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Da kam ein alter Mann des Weges geschritten, der erblickte die
hellblaue Blume am Wegesrand. Von ihrer zarten Schönheit ver-
zaubert, grub er sie vorsichtig mit der Wurzel aus und trug sie in
seine Hütte. Dort pflanzte er die Blume in ein Tröglein, gab ihr
Wasser und begann sie zu pflegen. Plötzlich begannen sich wun-
dersame Dinge in der Hütte zu ereignen. Als der Alte morgens
aufwachte, war die ganze Hütte ordentlich aufgeräumt. Nirgends
war ein Stäubchen zu sehen. Mittags kam er nach Hause, da war
das Mittagessen schon bereitet und der Tisch mit einer reinen
Decke gedeckt. Er, der Alte, wunderte sich sehr und wusste
nicht, was er tun sollte. Er bat eine alte Zauberin um Rat. Die
Zauberin antwortete ihm: „Steh vor dem ersten Morgengrauen
auf, wenn die Hähne noch nicht gekräht haben, und achte genau
auf das, was sich zu regen beginnt. Das musst du dann mit die-
sem Tuch hier bedecken, dann wirst du sehen, was es ist.“
Die ganze Nacht lag der Alte im Bett, ohne ein Auge zuzutun.
Als es dämmerte und man in der Hütte etwas erkennen konnte,
sah er plötzlich, wie die blaue Blume sich bewegte. Sie flatterte
von ihrem dünnen Stängel herab und begann in der Hütte um-
herzufliegen, alle Dinge begaben sich an ihren Platz, überall ver-
schwand der Staub, und im Ofen begann das Feuer zu knistern.
Flink sprang der Alte vom Bett und legte das Tuch über das
Blümchen. Da erschien vor seinen Augen plötzlich die schöne
Marja. „Warum hast du mich ins Leben zurückgeholt ?“, sprach
sie, „Mein Bräutigam, der vortreffliche Ivan, hat mich im Stich
gelassen und mich vergessen.“
„Dein Ivan heiratet heute. Der Hochzeitsschmaus wird schon
vorbereitet, und die Gäste haben sich alle versammelt“, sagte der
Alte. Bitterlich fing Marja an zu weinen.
Doch dann trocknete sie ihre Tränen, zog sich einen Sarafan an
und ging als Bäuerin in die Stadt. Dort kam sie zur Küche des
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