Page 5 - Begleitheft_Niels Stensen
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„Wenn  bereits  ein  winziger
                                                                                                                                                 Stenos’                                            Teil  des  Menschenkörpers
                                                                                                                                                                                                    so  anziehend  ist,  welche
                                                                                                                                                                                                    Schönheiten  würden  wir
                                                                                                                                                                                                    erst  sehen,  wenn  wir  den
                                                                                                                                         Denken und forschen                                        ganzen  Wunderbau  des
                                                                                                                                                                                                    Körpers, wenn wir auch die
                                                                                                                                                                                                    Seele,    wenn      wir    die
                                                                                                                                                                                                    Abhängigkeit  aller  dieser
                                                                                                                                 Quelle: Alfons Strodt, Niels Steensen
                                                                                                                                                                                                    Teile von jener Ursache, die
                                                                                                                                                                                                    alles    weiß,    vollständig
                                                                                                                                                                                                    durchschauen könnten?“
                                                                                                                                 Der  Ruf  Stensens  als  Seelenführer,  seine  Kompetenz,
                                                                                                                                 seine Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit sprachen sich bald her-
                                                                                                                                 um  in  Europa.  Er  lebte  als  einfacher  Priester  und  spürte  tagtäglich,
                                                                                                                                 dass er als Seelsorger nur geduldet war. Die Visitationsreisen, oft 50 Ki-
                                                                                                                                 lometer  am Tag,  machte  er  zu  Fuß.  Für  die  Armen  verkaufte  er  Bi-
                                                                                                                                 schofsstab und Bischofsring. Alles hatte er an die Armen verschenkt,
                                                                                                                                 so dass er selber völlig verarmte. Die letzten Worte Niels Stensens am
                                                                                                                                 Sterbebett waren: »Jesus, sis mihi Jesus« (Jesus, sei mir Jesus)


                                                                                                                                 Er ging den Einzelnen nach, betreute besonders die Konvertiten, die
                                                                                                                                 sich um ihn scharten. Aber er wusste, dass er bei allen Konversionen
                                                                                                                                 größte Vorsicht walten lassen musste. Zwangskonversionen lehnte er
                                                                                                                                 strikt ab, weil sie mit der Freiheit des Menschen und mit Gott, der den
                                                                                                                                 Glauben gibt, unvereinbar sind. (*)


                                                                                                                                 Allerdings hat seine Seligsprechung (1988) auch Irritationen aus heuti-
                                                                                                                                 ger ökumenischer Sicht ausgelöst. (1987 In: Staats, Reinhart: Eine ökumenische Belas-            spannweite seines wirkens
                                                                                                                                 tung? Die erwartete Seligsprechung von Niels Stensen (1638–1686). In: MdKI 37 (1987), 59f. u. 77f., 78.)
                                                                                                                                 „Der Kieler Kirchenhistoriker Staats fragte, ob Stensens römischer Ka-
                                                                                                                                 tholizismus zum Ökumenismus des
                                                                                                                                 Zweiten Vatikanischen Konzils passe.
                                                                                                                                 … Auch widerspräche Stensens Voll-
                                                                                                                                 kommenheitslehre  den  ökumeni-
                                                                                                                                 schen  Bemühungen  in  den  Fragen
                                                                                                                                 der  Rechtfertigungslehre.  (*)  Staats
                                                                                                                                 fragte schließlich: ‘Hat Stensen in sei-
                                                                                                                                 ner Zeit eine beidseitige ökumenische
                                                                                                                                 Aufbruchsstimmung  zur  einseitigen
                                                                                                                                 Konvertitenmacherei         missbraucht,
                                                                                                                                 …’“
                                                                                                                                 Wir begegnen hier also auch einem
                                                                                                                                 kritischen Blick auf Stensens Wirken
                                                                                                                                 als Bischof und Seelsorger.
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