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dann auch sinnvoll, immer ein Screening auf das kognitive Dysfunktionssyndrom durchzuführen. Das bedeutet, dass die Leitsymptome dieser Erkrankung abge- fragt und ihre Anzahl und Ausprägung dokumentiert werden. In Studien wurde die Häufigkeit des Vorkommens des kog- nitiven Dysfunktionssyndroms bezie- hungsweise der senilen Demenz rasseun- abhängig untersucht, und bei ein bis zwei Dritteln der Hunde über sieben Jahren wurden Anzeichen für diese Erkrankung gefunden. Es ist also davon auszugehen, dass es sich um eine relativ häufig vor- kommende Krankheit handelt, deren erste Anzeichen bereits mit Beginn des geriat- rischen Alters auftreten.
Was ist nun also das kognitive Dys- funktionssyndrom genau? Es handelt sich dabei um eine degenerative Erkrankung des Gehirns, die deutliche Parallelen zur menschlichen Alzheimerkrankheit auf- weist. Daher ist der landläufige Ausdruck „Hunde-Alzheimer“ recht treffend. Genau wie bei Alzheimer kommt es nämlich bei betroffenen Hunden aus bislang unge- klärten Gründen zu irreversiblen degene- rativen Veränderungen wie Ablagerungen von Lipofuscin- oder Amyloid-Plaques im Gehirn. Die Erkrankung ist irreversi- bel und eine Heilung nicht möglich. Da es sich um ein progressives Geschehen han- delt, wird der Zustand des Hundes im Lauf der Zeit immer schlechter und die kog- nitiven Fähigkeiten gehen immer weiter verloren. Analog zur menschlichen Alz- heimerkrankheit ist davon auszugehen, dass eine mangelnde oder geringe geis- tige Aktivität und geistige Forderung zu einem früheren Auftreten beziehungs- weise zu einem schnelleren Fortschrei- ten der Erkrankung führt. Ob bestimmte Rassen häufiger betroffen sind als andere, lässt sich nach heutigem Kenntnisstand
nicht sagen. Da es bei Menschen Hinweise auf eine genetische Prädisposition gibt, kann das beim Hund aber durchaus auch gegeben sein.
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Das kognitive Dysfunktionssyndrom kann sich in einer Vielzahl von Symptomen äußern. Zur einfacheren Diagnosestel- lung werden die Symptome in mehrere Leitsymptomenkomplexe zusammenge- fasst. Die innerhalb eines jeden Symp- tomenkomplexes zusammengefassten Symptome können individuell sehr unter- schiedlich ausgeprägt sein. Zudem ändern sie sich mit dem Fortschreiten der Erkran- kung in ihrer Ausprägung. Eine monatli- che Erhebung der Symptomatik ist daher wichtig, um Schweregrad und Prognose einschätzen zu können.
• symptomenkomplex desorientiertheit
Die Desorientiertheit ist der wichtigste und diagnostisch aussagekräftigste Sym- ptomenkomplex. Sie kann sich auf ganz verschiedene Arten äußern. Ein nahezu „klassisches“ Symptom ist es, dass der betroffene Hund hinter Möbeln oder in Ecken „stecken bleibt“ und nicht mehr weiß, wie er sich aus dieser Lage befreien kann. Oft wandern erkrankte Hunde auch vermehrt ziellos umher, starren an die Wand oder ins Leere. Ein weiteres typi- sches Symptom ist es, wenn der Hund auf der falschen Seite der Tür oder an der falschen Tür darauf wartet, hinaus- gelassen zu werden. Ebenso kommt es oft dazu, dass der Hund anzeigt hinauszu- wollen, aber draußen dann den Anschein erweckt, dass er „vergessen“ hat, wes- halb er hinausgehen wollte, oder insge-
samt einen verwirrten Eindruck macht. Zusätzlich sind manche betroffene Hunde unfähig, Hindernisse zu überwinden, mit denen sie bislang keine Probleme hat- ten. Häufig kommt es auch zu mangeln- den oder unzuverlässigen Reaktionen auf das Rufen des Namens oder auf bekannte Kommandos bei Hunden, die vorher damit kein Problem hatten. Es kann vorkommen, dass erkrankte Hunde ihren Besitzer oder andere bekannte Personen oder Hunde an manchen Tagen plötzlich nicht mehr erkennen und als Fremde verbellen.
• symptomenkomplex veränderte interaktionen
Bei erkrankten Hunden ändert sich ins- gesamt häufig der Umgang mit bekann- ten Personen und/oder Tieren. Typisch ist hierbei beispielsweise, dass der erkrankte Hund seltener oder gar nicht mehr nach Zuwendung und Streicheln verlangt. Wei- tere mögliche Symptome sind ein redu- ziertes Interesse an Spielzeugen und interaktiven Spielen mit den Besitzern und/oder im selben Haushalt lebenden Hunden. Erkrankte Hunde entziehen sich oft dem Streicheln und begrüßen ihre Besitzer oder bekannte Hunde weniger enthusiastisch als früher oder reagieren gar nicht auf die Ankunft oder Anwe- senheit der Besitzer. In Einzelfällen kann es auch dazu kommen, dass die Hunde plötzlichen Stimmungsschwankungen unterworfen oder insgesamt leichter reizbar und launenhaft sind. Angststö- rungen können ebenfalls begleitend auftreten.
• symptomenkomplex veränderter schlaf-wach-rhythmus
Wie bereits erwähnt, ist eine Veränderung des Schlaf-wach-Rhythmus prinzipiell ein Teil des normalen Alterungsprozesses.
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