Page 419 - Soziale Beziehungen, unter die Lupe genommen! 2019
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Vernarrtheit
                  Die meisten Teenager durchlaufen eine — allgemein
               als »Schwärmerei« bekannte — Phase der Vernarrtheit.
               Oft handelt es sich dabei um einen beliebten Fernseh-,
               Pop- oder Sportstar, manchmal auch um einen Lehrer
               oder einen Freund der Familie, den sie bewundern. Die-
               sen Schwärmereien ist gemeinsam, dass das Objekt der
               Begierde unerreichbar ist. Man vermutet, dass diese Art
               der Verliebtheit dazu dient, etwas über erwachsene Ge-
               fühle des Verlangens zu lernen. Der junge Mensch kann
               so auf sicherem Weg sexuelles Begehren erleben, weil
               die Chance auf ein wirkliches Zusammentreffen mit dem
               Objekt seiner Fantasie sehr gering ist. Der Teenager ris-
               kiert keinen emotionalen Schaden, weil sein Schwarm
               ihn zurückweist, es ist eine Art Generalprobe für die Ge-
               fühle, die zu erwachsenen Beziehungen gehören. Mit der
               Zeit werden die Schwärmereien für die Teenager lang-
               weilig und sie gehen Beziehungen mit Gleichaltrigen
               ein.
                  Schwärmereien bei Erwachsenen entstehen oft, wenn
               der Liebende das Objekt seiner Zuneigung idealisiert:
               Man hält den anderen für perfekt. Die begehrte Person
               ist gewöhnlich jemand, den man für unerreichbar hält,
               weil er schon eine Beziehung hat oder sich in anderen
               gesellschaftlichen Kreisen bewegt. Die Schwärmerei
               kann gerade deshalb wachsen und sich entwickeln, weil
               man die wirkliche Person nie kennen lernt: Der Liebende
               kann sich die Vision der Perfektion, die er erschaffen
               hat, erhalten, ohne dass diese durch die Realität korri-
               giert wird.
                  Gelegentliche Schwärmereien sind oft Teil des Er-
               wachsenenlebens. Wenn jemand jedoch ständig in uner-

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