Page 437 - Soziale Beziehungen, unter die Lupe genommen! 2019
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ganz normal, dass sich zwei Menschen, die sich trennen,
an ganz verschiedenen Punkten der Reise befinden. So
merkt der eine beispielsweise gerade erst, dass etwas in
der Beziehung nicht stimmt, während der andere sich
bereits von seinem Partner bzw. von seiner Partnerin ge-
löst hat (so dass er zumindest in emotionaler Hinsicht
die Beziehung schon verlassen hat). Ebenso kann ein
Partner noch den Verlust einer Beziehung betrauern,
während der andere sich schon von der Trennung erholt
hat und eine neue Verbindung eingegangen ist.
Im Idealfall durchlaufen beide Partner gleichzeitig die
einzelnen Stadien der Reise, aber dies ist eher die Aus-
nahme als die Regel. Manchmal muss ein Partner dem
anderen Gelegenheit geben »aufzuholen«. In der Praxis
kann das bedeuten, mit dem Einreichen der Scheidung
zumindest solange zu warten, bis der Part-ner den
Bruch der Beziehung verarbeiten konnte. Der »Auf-
holprozess« wird durch Zeit und ehrliche Gespräche er-
leichtert.
Wer eine Scheidung oder Trennung erlebt, muss sich
selbst Zeit geben, seelischen Schmerz zu fühlen und
auszudrücken. Hierbei kann es helfen, mit dem Partner
oder Ex- Partnetr, vertrauenswürdigen Freunden und
Verwandten zu sprechen, ein Tagebuch zu führen oder
sich in Scheidungsberatung oder -therapie zu begehen.
Wenn man auf diese Weise lernt, seine Emotionen zu
verstehen, kommt man oft auch in anderen Lebensberei-
chen, beispielsweise im Beruf und im Familienleben,
besser zurecht. Die Fähigkeit, eigene und fremde Emoti-
onen zu verstehen, ist Teil eines umfassenden Konzepts,
das der Psychologe Gardner als soziale Intelligenz be-
zeichnet hat. Soziale Intelligenz wird in der Kindheit
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