Page 132 - Geschichte des Kostüms
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                                              FRANKREICH


                                                   1720-1740







                    Für die Kostümverhältnisse dieser Tafel     ist im allgemeinen das zu Tafel 221
            und den    folgenden Gesagte bestimmend.       Indessen  handelt  es  sich  hier  nicht um
            große Toilette.    Es  sind  Unterhaltungen   im  Freien,  Schäferspiele,  nach Gemälden
            Lancrets, der     1 6go geboren war und     1743  gestorben  ist.  Eine größere Zahl der
            Lancretschen Gemälde,      sechsundzwanzig,   ist zu ihrer Zeit für Potsdam und Berlin
            erworben worden und befindet sich in den dortigen Schlössern, im kaiserlichen Besitz.
                    Die  Gesellschaft  des  werdenden Rokoko       liebt  in  außerordentlichem Maße
            ländliche Unterhaltungen in einem ländlich gemeinten Kostüm.         Es  ist die Endastung
            vom   graviiätischen  Barock,   die  hier  aufatmet, vom    Zeremoniell,  von der    streng
            modischen Tracht der Zeit Ludwigs XIV.       Unter der Regentschaft, die von lyiS— 1723
            währte, und auch danach veranstaltete man Festlichkeiten und Improvisationen, wo
            sich die Kavaliere und Damen      als Schäfer und Schäferinnen bewegten.       Man führte
            auch   ganze ,,Bauern-Divertissements" durch,     mit ländlichen Jahrmärkten und ähn-
            lichen Erkünstelungen, was sie in diesem Fall waren; die Tänze blieben aber natürlich
            die Hauptsache nebst den Spielen.      Die letzteren waren keine Sport- und Bewegungs-
            spiele auf die englische Manier, die   erst gegen Ende des Jahrhunderts     in Frankreich
            Mode wurden.       Sondern man machte       sie  sich  aus dem   zurecht,  was man     von
            Blindekuh und     anderen   Spielen der Landjugend wußte, und        tat dann   gedanklich
            die galanten Poesien der Gesellschaft dazu, worin Amor und die übrige landläufige
            Mythologie vorherrschend waren.
                    Laueret    hat solche  ländlichen Divertissements viel   gemalt.   Nur muß man
            sie nicht als genaue Wiedergaben      ansehen.   Die Gesellschaft bot ihm wohl im      all-
            gemeinen die bildliche Idee, suchte letztere aber auch wiederum bei ihm, wollte vom
            Maler Vorstellungen empfangen und angeregt werden.
                    Der Maler    erschafft  also  aus  der  allgemeinen Mode heraus     die idyllischen
            Kostüme. An denen der Damen ändert er nicht viel, nur daß er das Einfache und
            den Blumenschmuck betont;       hier und da giebt er einer Dame den Hut         aus Stroh,
            den vorerst nur in manchen Gegenden die bäuerliche Heumacherin und Erntebinderin
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