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WEIHNACHTSGESCHICHTE
schauten in einen echten Stall. Da war die Krippe zu erzählen. Und zwischendurch stimmte er mit
voller Heu, da waren ein lebender Ochse und ein sanfter Stimme das alte Engelslied an, um dann
lebender Esel. Selbst bei Fackelschein zeigte sich wieder weiter zu erzählen.
ihr Atem in der frostigen Luft. Und dort, auf dem Als er geendet hatte, war es still und nur das
Heu, lag ein echtes Baby, eingewickelt gegen die Knistern der Fackeln mischte sich in die andäch-
Kälte, schlafend und lächelnd. Es sah so süss und tige Ruhe. Dann sprach Fredo und richtet seinen
unschuldig aus wie wohl das Christkind selbst, vor festen Blick auf jeden in der Menge. Er bat seine
langer Zeit. Und auf langen Gabentischen neben Zuhörer, an diesem Heiligabend Wut, Hass und
dem Stall lagen Berge von kleinen Geschenken Neid aus ihren Herzen zu vertreiben und nur Ge-
aufgehäuft, bunt verpackt, aber auch Lebkuchen, danken an Frieden und guten Willen zu denken.
geräucherte Würste, Brotlaibe und Gebäck und Und er sprach darüber, dass jeder auch Frieden
so manch ein Krug mit erfrischendem Apfelsaft mit sich selbst in seinem Herzen suchen solle.
und frischem Wasser. Die Leute schrien vor Freu- Als er fertig war, begann die grosse Menge zu
de. Sie klatschten in die Hände und schwenkten singen. Vom Kirchturm läuteten die Glocken
ihre Fackeln. laut; die Fackeln schwenkten wild, während hier
Dann herrschte Stille, denn Arnault stand vor ih- und da Stimmen nach Arnault, Fredo, Timo und
nen, der Mann, den sie so sehr liebten, der für das Kind in der Krippe hochleben liessen. Nie zu-
jeden von ihnen in all den Jahren ein offenes Ohr, vor waren in Alta so herrliche Hymnen oder so
tröstende Worte und Ratschläge gehabt hatte freudige Rufe zu hören gewesen.
und den sie hören wollten, wie weit der Weg auch Aber alle Mütter mit Babys im Arm und auch die
sein mochte an diesem Tag. So begann er bedacht Hirten in ihren Wollmänteln sahen schweigend
und mit warmer Stimme die alte Geschichte von zu und dachten: „Wir sind in Bethlehem.“
der Geburt des Jesuskindes, von den Königen
aus der Ferne und den Hirten auf den Feldern
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