Page 18 - Nordkurier (+11.01.2017)
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                                                                 Auf diesem Foto von 2013 ist die Beimischstation noch in   2014 war das Dach des Gebäudes keine Aussichtsplattform
                                                                 ganzer „Schönheit“ zu sehen.          FOTO: HELGA DEICHEN  mehr, sondern eher eine Gefahrenquelle.    FOTO: HELGA DEICHEN

















                                                                 Der Abriss brachte im Herbst die beeindruckende Technik aus   Ende November war der Abriss so weit, dass man ins Innere des
                                                                 dem Inneren des Gebäudes zutage.      FOTO: HELGA DEICHEN  Gemäuers wie in eine Puppenstube gucken konnte.   FOTO: A. BRAUNS
                                                                 Traum vom Aussichtscafé




                                                                 ist endgültig ausgeträumt




                                                                 Von  Anke Brauns                                                               tem auch an einigen Stellen
                                                                                                                                                unterbrochen.
                                                                 Von der Terrasse hatte man                                                        Auch wenn die Fernwär-
                                                                 einen super Blick über die                                                     mestation verschwindet, die
                                                                 Stadt. Ansonsten war von                                                       dicken Leitungen, die auf den
                                                                 der einstigen Umformstation                                                    Datzeberg führen, bleiben in
                                                                 auf dem Datzeberg nicht viel                                                   Betrieb. Und auch die haben
                                                                 zu sehen – jedenfalls nicht                                                    schon Schlagzeilen gemacht.
                                                                 von oben. Das stattliche                                                       Helga Deichen fand in der
                                                                 Gebäude war in den Hang                                                        Freien Erde vom 5. August
                                                                 gebaut. Nun ist es fast                                                        1980 eine Anzeige des VEB
                                                                 verschwunden.                                                                  Energiekombinats, die sich
                                                                                                                                                an die Einwohner des Dat-
                                                                 NEUBRANDENBURG. Es ist                                                         zeberges richtete. Durch das
                                                                 schon eine ziemlich myste-                                                     Gewitter vom 3. August seien
                                                                 riöse Geschichte: Die zwei                                                     an der Fernheizleitung zum
                                                                 dicken Schlangen, die den                                                      Wohngebiet erhebliche Schä-
                                                                 Berg hochkriechen und                                                          den entstanden, sodass die
                                                                 schließlich in seinem Bauch  Helga und Paul Deichen wohnen seit Jahrzehnten auf dem   Warmwasserversorgung ein-
                                                                 verschwinden, knapp unter-  Datzeberg und interessieren sich für die Entwicklung des   gestellt werden musste, hieß
                                                                 halb dieses Betonwürfels,  Wohngebietes. Auch den Abriss der Umformstation haben sie   es darin. Man arbeite an der
                                                                 der nicht mal zur Hälfte aus  aufmerksam verfolgt.                 FOTO: ANKE BRAUNS  Beseitigung der Schäden.
                                                                 der Erde guckt, das Meiste in
                                                                 der Tiefe verborgen und von  allem das Dach des massiven  tungen und Kabel verliefen.  Eine andere Nutzung
                                                                 dort aus zieht sich ein Spin-  Gebäudes, das mehrere Me-  Für diese „Katakomben“ sei  war nicht möglich
                                                                 nennetz unter dem gesamten  ter tief im Berg steckte, ein  der Datzeberg ein Versuchs-  Eine andere Zeitungsnotiz
                                                                 Wohngebiet entlang.       Begriff. Denn es befand sich  Standort gewesen, erzählt  vom März 1981 kann Hel-
                                                                   Man kann es auch nüch-  durch die Hanglage der Fern-  Gerhard Schürgut. „Das hat  ga Deichens Mann Paul aus
                                                                 terner ausdrücken. Vom  wärmestation in Bodenhöhe  sich aber nicht bewährt“,  eigenem Erleben bestätigen.
                                                                 Heizkraftwerk in der Ihlen-  und war viele Jahre lang als  weiß er. Bei Havarien sei es  Durch ein Unwetter mit hef-
                                                                 felder Vorstadt führen Fern-  Terrasse begehbar. Von dort  schwierig gewesen, mit Ma-  tigen Niederschlägen war die
                                                                 heizleitungen den Datzeberg  hatte man einen super Blick  terial und größeren Werk-  Fernheizleitung am Hang
                                                                 hoch und unterirdisch in die  über die Stadt. „Es wurde im-  zeugen rein und raus zu  unterspült worden. Es ent-
                                                                 Umformstation, wo das hei-  mer erzählt, irgendwann soll  kommen. Man habe damit  standen massive Schäden,
                                                                 ße Wasser in großen Kesseln  da ein Aussichts-Café drauf.  immer durch die Hausein-  die Warmwasserversorgung
                                                                 durch Rohrschlangen gelei-  Daran haben wir bis zur  gänge gehen müssen. Er er-  musste eingestellt werden.
                                                                 tet und dort auf die richtige  Wende geglaubt“, sagt Helga  innert sich auch daran, dass  Aber 25 Energiearbeiter und
                                                                 Temperatur für Heizung und  Deichen.                 der Sammelkanal im Rahmen  zehn Kameraden der Feuer-
                                                                 Warmwasser gekühlt wurde.                            der Zivilverteidigung zum  wehr – Paul Deichen war
                                                                 Von dort ging’s über Leitun-  Sammelkanal war auch als   Teil als Schutzraum vorge-  einer von ihnen – sorgten
                                                                 gen in einem 2,3 Kilometer  Schutzraum vorgesehen    sehen war. Verschließbare  dafür, dass „nach fünf Stun-
                                                                 langen, unterirdischen Sam-  Später aber wurde das Dach  Stahltüren in den Kellerräu-  den die Primärleitung der
                                                                 melkanal zu allen Wohnhäu-  zunehmend maroder und  men, Luftklappen und die  Heiztrasse zum Datzeberg
                                                                 sern auf dem Datzeberg. Das  man sperrte es ab. Das ist  separate Stromversorgung  wieder in Betrieb genommen
                                                                 klingt nicht so geheimnisvoll,  allerdings nicht der Grund  in einigen Kellerräumen  werden konnte“, war in der
                                                                 aber Geschichte ist es trotz-  für den Abriss. Die Umform-  würden dafür sprechen. Ein  Zeitung zu lesen. Schäden
                                                                 dem. Denn die Umformsta-  station wird einfach nicht  früherer Mitarbeiter des Be-  an der Ummantelung der di-
                                                                 tion neben dem Hochhaus  mehr gebraucht, wie es auf  reichs Fernwärme meinte in  cken Leitungsrohre entstan-
                                                                 Max-Adrion-Straße 5/7, die  Nachfrage von den Stadt-  einem Nordkurier-Gespräch,  den, als Kinder sie als Spiel-
                                                                 1976 lange vor der Überga-  werken heißt. Heute ist das  dass die Fernwärmestation  platz entdeckten und darauf
                                                                 be des ersten Datzeberger  Fernheiznetz direkt mit dem  auf dem Datzeberg bei Wei-  rumliefen. Deshalb bekamen
                                                                 Wohnblocks in Betrieb ging,  Versorgungsnetz des Datze-  tem die größte der Stadt war  die Leitungen am Hang eine
                                                                 wird seit dem Herbst ab-  berges gekoppelt. Gerhard  und dass der Sammelkanal  Metallverkleidung.
                                                                 gerissen und ist schon fast   Schürgut, der viele Jahre als  als eine Art Luftschutzbunker   So mancher Datzeberger
                                                                 verschwunden.             Hausmeister in dem Wohnge-  beziehungsweise Fluchtweg  hat sich angesichts des Ab-
                                                                   Klar, dass das den Datze-  biet gearbeitet hat, erinnert  im Falle eines „imperialisti-  risses gefragt, ob man für die
                                                                 bergern nicht entgeht und  sich an die Umrüstung in den  schen Angriffs“ dienen sollte.  massive Fernwärmestation
                                                                 schon gar nicht Helga Dei-  Häusern, denn dort wird jetzt                      nicht eine neue Nutzungs-
                                                                 chen. Sie ist nicht nur eine  in den Hausstationen das an-  Dicke Leitungen    möglichkeit hätte finden
                                                                 engagierte Bewohnerin des  kommende heiße Wasser  bleiben in Betrieb           können. Das sei aber aus bau-
                                                                 Stadtteils, sondern befasst  auf die richtige Temperatur  Inzwischen kann man aber  technischer Sicht und auch
                                                                 sich seit Jahren auch mit  gebracht, bevor es in die   nicht mehr das ganze Wohn-  aus Sicherheitsgründen nicht
                                                                 dessen Geschichte und hat  einzelnen Wohnungen geht.  gebiet unterwandern. Die  möglich, so die Stadtwerke.
                                                                 eine Chronik über den Dat-   Der Datzeberger kennt  Zugänge wurden nicht nur  Nach dem Rückbau werde
                                                                 zeberg geschrieben. Darin  auch den begehbaren Sam-  gesichert, um Obdachlose  die Böschung an der Stelle
                                                                 kommen natürlich auch die  melkanal unter dem Wohn-  und abenteuerlustige Jugend-  wieder angeglichen.
           Die dicken Wärmerohre kommen von der Ihlenfelder Straße   Umformstation und der Sam-  gebiet, der an alle Keller der  liche von dem Sammelkanal
           herauf und verschwinden unterhalb der nun abgerissenen   melkanal vor. Für die meisten  Wohnblöcke  angebunden  fernzuhalten. Durch den Ab-  Kontakt zur Autorin
           Umformstation im Hang des Datzeberges.    FOTO: HELGA DEICHEN  Datzeberger, weiß sie, ist vor  war und in dem alle Rohrlei-  riss von Blöcken ist das Sys-  a.brauns@nordkurier.de


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