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Alphadi setzt seinen Weg unbeirrt fort. Mit Designer ein Sprungbrett bieten, kulturelle Alphadi hat erfolgreiche
einer Modenschau im heißen Sand der Einflüsse mixen und ein Zeichen für den Kollegen und Kolleginnen.
Tenéré erfüllt er sich 1998 seinen Jugend- Frieden setzen. Zum Beispiel die Senegalesin
traum. Er lockt Besucher und Top-Designer Oumou Sy, die weder lesen
aus aller Welt in die Wüste, um ihnen afri- In einem Interview mit dem UNESCO Courier
kanische Mode zu präsentieren. Nicht nur bezeichnet sich Alphadi als „größten Pan- noch schreiben kann. Trotz-
seine eigene, sondern auch die vielverspre- afrikaner von allen Panafrikanern“ und ver- dem ist sie eine angesehene
chender afrikanischer Nachwuchstalente. tritt ein Völkerverständnis unabhängig von Modeikone in Afrika. Schon
Ethnie oder Nationalität. „Ich bin in Timbuktu als Kind schneiderte sie Pup-
Skeptiker halten ihn für verrückt: Die Was- geboren. Meine Mutter war Marokkanerin, penkleider, als Jugendliche
Niger ist beinahe doppelt serversorgung für die Gäste in einem von mein Vater Nigrer arabischer Abstammung. eröffnete sie ihre erste eigene
so groß wie Frankreich Dürre geplagten Land wie Niger ist ebenso Ich bin in Niger aufgewachsen, habe in Werkstatt, um Kleidung für
und besteht zu 80 Prozent ein Problem wie das gegrillte Kamel am Togo und Paris studiert. Ich habe Familie in die Bewohner aus ihrem Dorf
aus Wüste. Von der fürchter- Spieß, für das die Köche einen Kran brau- Marokko, Mauretanien und der Elfenbein- zu nähen. Heute entwirft die
lichen Dürre Anfang der chen, um es zu servieren. Models und küste. Auf dieses bunte Erbe bin ich stolz Alphadi stammt aus einer reichen, 65-Jährige in ihrem Atelier in
Gäste kämpfen mit der extremen Hitze,
und nehme es als Verpflichtung, mich für
1970er Jahre konnte sich draußen tobt ein Tuareg-Aufstand und re- Afrikas Einheit und Würde einzusetzen.“ hochangesehenen Familie. Meist pendelt Senegals Hauptstadt Dakar
das Land bis heute nicht ligiöse Fanatiker wollen die Veranstaltung er zwischen Niamey und Paris. in aufwendiger Handarbeit
erholen. Der Grundwasser- verhindern. Trotz aller Widrigkeiten wird der Genau dieser kulturelle Mix macht gefertigte Filmkostüme
spiegel sinkt weiter, die Event ein voller Erfolg. Alphadis Kreationen aus. Er reist quer sowie Haute Couture für eine
Dünen wandern nach Süden durch Afrika, stets auf der Suche nach Inspi- internationale Klientel.
und fressen die Dörfer regel- Dieses „Festival international de la mode ration. Von den Tuareg übernimmt er uralte
Symbole als Muster auf seinen Stoffen; mit
africaine“, kurz FIMA, findet alle zwei Jahre
recht auf. Auf dem Human statt, immer in einem anderen afrikani- Hilfe zentralafrikanischer Webkunst verar- Besonderen Wert legt Alphadi bei „Afrika selbst verändert sich.
Development Index der schen Land. Es dient nicht nur Alphadi als beitet er Fasern des Affenbrotbaumes oder seinen Kreationen auf traditionelles Bei Mode-Events in Lagos
Vereinten Nationen, der den Bühne, sondern auch Nachwuchsmode- der Raffiapalme zu Korsagen oder Röcken. afrikanisches Kunsthandwerk. Diese oder Südafrika ist so viel
Wohlstand der Länder misst, machern aus ganz Afrika. Allen Unkenrufen Baumrinde aus Uganda lässt er glattklopfen Silberkorsage haben nigrische Schmiede Energie zu spüren, Lust auf
belegt Niger den letzten Platz. zum Trotz gab es 2018 die mittlerweile und dann mit Akazienharz bestreichen – ein in filigraner Handarbeit angefertigt. Fortschritt, auf Erfolg.
Umso erstaunlicher ist es, 11. Auflage – im marokkanischen Dakhla. kostbares Material, das früher nur die Köni- Schließlich ist gerade die
gin von Uganda getragen hat.
Das FIMA sei „sein ganzer Stolz“, sagt
dass Alphadi es geschafft hat, Alphadi. In diesem Rahmen könne er Afrika ganze Branche im Aufbruch:
hier sein Modeunter nehmen perfekt inszenieren, die Aufmerksamkeit Neue Ideen holt sich der Modeschöpfer an durch E-Commerce, die
zu etablieren. der Welt auf seine Heimat lenken, für junge den unterschiedlichsten Orten. Bei einem
Besuch der Bororo im Norden Nigers sitzt sozialen Netzwerke. Ich finde,
er am Lagerfeuer und bestaunt die präch- die Welt verpasst etwas,
tige Kleidung des Nomadenvolkes, verziert wenn sie sich den neuen
mit fossilen Kaurimuscheln und Straußenfe- afrikanischen Zeitgeist ent-
dern. Oder er hält in den Gassen der Städte gehen lässt.“ Die südafrikani-
MAROKKO ALGERIEN LIBYEN Ausschau nach alten Techniken der Tex- sche Modebloggerin Leanne
tilproduktion. In Niamey trifft er Monsieur
Mamodou vom westafrikanischen Stamm Tlhagoane im Interview mit
SAHARA der Peul, der das höchst komplizierte der Süddeutschen Zeitung.
Weben mit dem Fußpedal beherrscht. Der
Mann ist alt und möchte eigentlich schon
MAURETANIEN lange in Rente gehen. „Aber wenn ich auf-
Timbuktu MALI höre, stirbt diese Kunst aus. Unsere Jugend
SENEGAL SAHEL hat andere Interessen.“
Bamako Niamey Dabei sind es genau diese alten Traditio-
GAM- NIGER nen, die Afrika eine bessere Zukunft be-
BIA
GUINEA BURKINA FASO scheren können. „Wir müssen der Welt
GUINEA- zeigen, über welch hervorragende Kunst-
BISSAU BENIN
SIERRA NIGERIA fertigkeiten wir verfügen“, meint Alphadi.
LEONE Niger
ELFENBEIN- TOGO „In Afrika findet man überall Schönheit und
KÜSTE Geschmack. Sie müssen sich nur entfalten
GHANA
LIBERIA
können. Dann werden sie auch den Augen Dokumentarfilm über den
der Welt gefallen.“* n
KAMERUN Modeschöpfer Alphadi.
Südatlantik
* Dokumentarfilm „Alphadi und die Farben
der Wüste“ von Roberto Lugones