Page 45 - LL_1_2_2021
P. 45
200 Kaufleute auf der Insel, die das Geld manchmal genauso schnell wieder verlo- ren, wie sie es gewonnen hatten. Doch diese Blüte war nur von kurzer Dauer, denn während das Aufbrechen der Kon- tinentalsperre nach dem französischen Überfall auf Russland 1812 für England die wirtschaftliche Rettung bedeutete, war dies für Helgo-
land eine ökonomische Kata- strophe, da nun die strategi- sche Bedeutung und damit der Wohlstand der Insel fast so schnell wieder schwanden, wie sie gekommen waren. Doch nicht nur für den Schleichhandel besaß Hel- goland eine wichtige strate- gische Bedeutung – ebenso diente die Insel als Spionage- zentrum des englischen Sec- ret Service. Von hier aus wurde nicht nur ein weites Netzwerk an Agenten aufgebaut, das winzige Eiland nutzte man auch als Verbindungsstelle für die Koordination des Infor- mationsflusses von und nach Europa.
Im Juni 1808 machte sich Pater Robert- son auf den Weg nach Helgoland, um von hier aus Deutschland zu erreichen, was ihm allerdings erst nach einigen ver- geblichen Versuchen gelang. Unter der falschen Identität eines Handlungsreisen- den namens Adam Rohrauer machte sich
stand gegen die Franzosen zu unterrich- ten. Schließlich konnte Robertson den General für das Unternehmen gewinnen. Nach Robertsons Rückkehr nach Hamburg reiste de la Romana im Juli 1808 mehrmals in die Hansestadt, um hier unauffällig den Abtransport seiner Truppen vorzubereiten.
Schließlich wurde der Plan gefasst, die Spanier Mitte August mit Hilfe der Royal Navy von Fünen zu evaku- ieren. Unter dem Vorwand der angeblichen Vereidi- gung auf den neuen spani- schen König Joseph Bona- parte zog de la Romana daher am 12. August 1808 den Großteil seiner Trup- pen, etwa 9000 Mann, unauffällig bei der däni- schen Festung Nyborg zusammen. Zwei Tage spä- ter nahmen die Spanier die Festung im Handstreich und begannen, auf requi- rierten Booten und Schiffen nach Langeland überzuset- zen. Hier wartete bereits ein aus drei Linienschiffen und sechs Fregatten beste- hendes, von Konteradmi- ral Keats geführtes eng- lisches Geschwader, um die Truppen de la Roma- nas auf mehr als 50 requi- rierten dänischen Han- delsschiffen unterzubrin- gen. Obwohl die Franzo- sen und Dänen unter der Leitung des französischen
Marschalls Bernadotte, des späteren schwedischen Königs, versuchten, die Einschiffung zu verhindern, konnten die Briten insgesamt 7600 Soldaten an Bord nehmen, dazu noch einmal fast 1500 Spa- nier bei Aarhus, sodass de la Romana mit fast 9000 Mann nach Spanien zurückkeh- ren und sich dort am Kampf gegen die Franzosen beteiligen konnte.
Während sich Robertson nach weiteren Diensten für den Secret Service 1816 wie- der in sein Kloster zurückzog, wo er 1820 im Alter von 62 Jahren starb, und Eng- land die Weltmeere beherrschte, verdäm- merte Helgoland, das nach dem Frieden von Kiel 1814 in englischer Hand verblie- ben war, als bedeutungsloses Anhängsel des britischen Empire. Erst 1890 wurde die Insel im Tausch gegen Sansibar an Deutschland übergeben. 7
Geschichte
Der größte Coup, der von Hel-
goland aus seinen Anfang
nahm, war die Evakuierung
eines spanischen Elitekorps
unter dem Befehl des spani-
schen Generals Marquis de la
Romana, das von Napoleon vorsorglich als Besatzungs-
truppe nach Norddeutsch-
land und Dänemark befohlen
worden war, um so den mög-
lichen spanischen Widerstand bei sei- ner Okkupation der iberischen Halbin- sel zu schwächen. Hier sahen die Briten die Chance, nicht allein Napoleon durch eine kühne Aktion zu blamieren, sondern auch den Kampf der Spanier gegen die Franzosen durch eine erfahrene Truppe militärisch und psychologisch zu stärken. Um den Kontakt zu den spanischen Trup- pen herzustellen, benötigte man vor allem einen vertrauenswürdigen und mutigen Agenten, der bereit war, sein Leben zu ris- kieren, denn würde er von den Franzosen erwischt, wäre ihm als Spion der Galgen sicher. Dieser Agent fand sich in der Per- son des schottischen Paters James Gal- lus Robertson, der seit 1772 viele Jahre in einem Benediktinerkloster bei Regens- burg gelebt hatte und fließend Deutsch sprach.
Pedro Caro y Sureda, marqués de la Romana
Robertson in Hamburg auf die Suche nach den spanischen Soldaten. Endlich gelang es ihm, mit Hilfe eines spanischen Geist- lichen herauszufinden, dass diese nach Nyborg auf der Insel Fünen verlegt wor- den waren. Obwohl er kein Wort Dänisch sprach und als Ausländer unweigerlich auffallen musste, machte sich der mutige Pater mit einer Kollektion an Handelswaren auf den Weg nach Norden und erreichte über Kopenhagen die Stadt Odense auf Fünen, wo er weitere Informationen sam- melte. So erfuhr er u.a., dass die ursprüng- lich 37 000 Mann starke Truppe mittler- weile nur noch knapp die Hälfte zählte. Ende Juni gelang es Robertson endlich, persönlichen Kontakt mit dem höchst misstrauischen spanischen General de la Romana aufzunehmen und ihn von den Ereignissen in Spanien und dem Auf-
Leinen los! 1-2/2021 45
Gemälde: Wikipedia