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Deutscher Marinebund
tung der NATO-Verteidigungspläne statt. Während nun eine regionale Aufteilung der NATO Area of Responsibility in drei Kerngebiete stattfand: Northwest, Cen- ter und Southeast wird auch das NATO- Hauptquartier SHAPE zum Strategic Warfighting Headquarter umgeformt. Diese „NATO-Zeitenwende“, die sich auf eine Umorientierung der NATO und der NATO C2-Struktur in Richtung „Warfigh- ting“ fokussiert, hat natürlich direkte Aus- wirkungen auf Deutschland.
Die Ostsee spielt dabei aus Sicht der Deut- schen Marine eine zentrale Rolle. Während Entscheidungen, wie die Raumordnung der Ostsee und die Kommandostruktur, derzeit aufgrund des Beitritts Finnlands
Denial) undderräumlichenEngederOst- see unausweichlich sein. Wie schaffen wir es also, diese Seeverbindungslinien wie- der zu öffnen bzw. offen zu halten? Und auch ab wann wird der Punkt erreicht sein, dass Seeverbindungslinien durch militäri- sche Kräfte geschützt werden sollen, zum Beispiel vor Ausbruch eines bewaffneten Konfliktes.
Neben dem Schutz der Seeverbindungs- linien gilt es auch die Zugänge zur Ost- see zu sichern, der Zwischenfall der Sper- rung der Straße von Kertsch hat gezeigt, wie leicht es ist, Meerengen und Seeka- näle durch einfachste Mittel zu blockieren. Hierbei muss klar sein, dass diese Nadel- öhre in Krise, Krieg und vor allem auch im Frieden vor Ausbruch von Feindseligkei- ten geschützt werden müssen!
Der Stab DEU MARFOR ist in der Rostocker Hanse-Kaserne zu Hause
und des anstehenden Beitritts Schwe- dens überarbeitet werden, sind weitere strategische und operative Faktoren für die Ostsee von essenzieller Bedeutung. Aus militärstrategischer Perspektive stellt die Ostsee die Hauptschlagader für die Versorgung der drei baltischen Staaten und Finnlands sowie der dort stationier- ten Truppen dar. Nicht zu vergessen ist dabei aber auch, dass die Versorgung von St. Petersburg und weiterer russischer Großstädte wie z.B. Moskau maßgeblich von der Seeversorgung über die Ostsee abhängig ist. Ebenso verlaufen Schnitt- stellen der Kritischen Infrastruktur, wie z.B. Datenkabel, Pipelines und weitere Unter- wasserkabel, durch die Ostsee.
Was sind nun die daraus erwachsenden Herausforderungen der NATO und der deutschen Marine:
Vorerst der Schutz der Seeverbindungs- wege. Ein Ausweichen der Seestreitkräfte auf das Küstenmeer wird aufgrund der aku- ten A2AD-Bedrohung (Anti-Access/Area
Im selben Atemzug entsteht die Frage: „Wie gehen wir mit der A2AD-Bedro- hung um?“ Dass der sogenannte „A2AD Umbrella“ Russlands in der Ostsee gebrochen werden muss, steht außer Frage. Wir können wir uns hier jedoch nicht alleine auf eine reine Lösung durch die Luftstreitkräfte verlassen. Sondern müssen vielmehr im Sinne der „Multi Domain Operations“ von einem ganz- heitlichen Ansatz ausgehen und die „Deep Strike-Fähigkeiten“ maritimer Kräfte auf den Prüfstand stellen und eindeutig nachbessern. Der Konflikt in der Ukraine hat nicht nur gezeigt, dass wir lernen müssen, uns mit der Abwehr unbemannter Systeme auseinanderzu- setzen, sondern auch, dass wir hier einen deutlichen Aufholbedarf in der Nutzung unbemannter Systeme haben.
Der enge Operationsraum der Ostsee bietet hier wesentliche Chancen, um mit unbemannten Systemen operative Effekte erzielen zu können. Ganz in diesem Sinne
Glossar:
y Proxys:StellvertreterimKrieg
y Carrier Strike Group: Flugzeug-
trägerkampfgruppe
y Spillover-Effekt:Übertragungseffekt,
z.B. durch Krieg verursachte Migration
in einen unbeteiligten Staat
y A2AD-Umbrella:RussischerSchutz- schirm, der durchbrochen werden
muss
y DeepStrike-Fähigkeit:Fähigkeitzum
präzisen Schlag in die Tiefe des Geg-
ners
y Nine Dash Line: von China vorge-
schlagene Grenzlinie im Südchinesi- schen Meer, die sogenannte Neun- Striche-Linie markiert die chinesischen Ansprüche und umfasst auch Inseln, Felsen und Gewässer, die ganz oder teilweise von Brunei, Malaysia, den Phi- lippinen, Taiwan und Vietnam bean- sprucht werden
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Foto: Bundeswehr/Nico Theska


































































































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