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Tagung „Seemacht“ im DMM
Nina Nustede*
Im März 2021 verabschiedete sich Prof. Dr. Michael Epkenhans nach zwölf Jah- ren als Leiter der Abteilung Forschung
und Leitender Wissenschaftler des Zen- trums für Militärgeschichte und Sozial- wissenschaften der Bundeswehr in Pots- dam (ZMSBw, ehemals Militärgeschicht- liches Forschungsamt) in den Ruhestand. Dem Deutschen Marinemuseum (DMM) seit langem verbunden – nicht zuletzt als Vorsitzender des Kuratoriums seit 2013 – war es diesem zusammen mit dem ZMSBw und dem Freundeskreis der Mari- neschule Mürwik e.V. in Flensburg-Mür- wik Anlass genug, eine Tagung zu seinem Abschied zu organisieren. Das Thema der Veranstaltung passend zu einem seiner Forschungsschwerpunkte bzw. gehörend zu seiner Expertise: „Seemacht“.
Am 21. April fiel der Startschuss im Atlan- tic Hotel in Wilhelmshaven nach einer Begrüßung durch Dr. Stephan Huck, Leiter des Deutschen Marinemuseums, sowie Oberst Dr. Sven Lange, Leiter des ZMSBw, mit dem ersten Panel zur Ideo- logie von Seemacht unter der Modera- tion von Michael Epkenhans. Die theo- retischen Grundlagen des Konzepts der Seemacht und hierbei insbesondere die Theorien der bis heute einflussreichen Seemachts-Theoretiker Alfred Thayer Mahan (1840–1914), Sir Julian Corbett (1854–1922) und Théophile Aube (1826– 1890) standen hier im Mittelpunkt der Vor- träge von Dr. Holger Herwig, Dr. Andrew Lambert und Dr. Jean Martinant De Pre- neuf. Alfred Thayer Mahan legte die Grundlagen für die Entwicklung eines modernen Verständnisses von Seemacht. Hierbei ist insbesondere seine Theorie zu „Navalism“ zu nennen, die Politik, Volks- wirtschaft und kulturelle Elemente bein- haltet, und seinerzeit den Ausgangspunkt für die Ideologisierung und politische Mobilisierung inklusive einer Mobilisie- rung der Presse bildete. Mahans Theo- rien liefern nach Herwig keine strategi- schen Einsichten, sondern ermöglichen vielmehr einen Zugriff auf das Phänomen der Ausbildung von Seemacht.
Julian Corbett ist nach Lambert sehr stark auf die politischen Aspekte von Seemacht fokussiert, die auf der impe-
Panel I – Seemacht – Ideologie
Mensch.Schifffahrt.Meer.
Vortrag von Alessio Patalano (King's College, London): China – Weltmacht durch Seemacht?
rialen Ordnungsvorstellung des Com- monwealth basieren.
Théophile Aube, Vater der Strategie- schule Jeune École, und die Strategie der französischen Marine vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Mitte des 20. Jahr- hunderts, in der die Marineführung eine Strategie der Abschreckung aus einer Position der Unterlegenheit der eigenen Flotte favorisierte, wurden zum Ende des Panels durch Preneuf behandelt.
Den Ausklang des ersten Tages bildeten eine Einführung von Konteradmiral a.D. Gottfried Hoch, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Marinemuseums, und der Abendvortrag von Konteradmiral Jürgen zur Mühlen vom Marinekommando Ros- tock, der über die aktuelle Lage der Deut- schen Marine referierte.
Nach der Beschäftigung mit dem ideo- logischen Unterbau am Vortag befasste
sich der zweite Tag zunächst mit der Reali- tät von Seemacht. Nicholas Jellicoe führte als Moderator durch den Vormittag, an welchem Dr. Duncan Redford der Frage nachging, ob Großbritannien eine See- macht sei. Hierbei befasste er sich nicht nur mit militärischen Aspekten, sondern auch mit einem politisch-kulturellen Selbstverständnis einer Seemacht-Gesell- schaft. Seiner Einschätzung nach verfüge Großbritannien auch gegenwärtig noch über einen Seemachtstatus, dieser sei jedoch nur im Kontext der militärischen Infrastruktur der Nato aufrechtzuerhal- ten. Anschließend lieferte Dr. Christopher Bell eine Übersicht über den krisenhaf- ten Wandel britischer Seemachtpolitik im Zeitalter der Weltkriege und beleuchtete die Grenzen der globalen Machtausdeh- nung Großbritanniens im 20. Jahrhundert. Zusammenfassend bildete der Seemacht-
Leinen los! 9/2022 17
Fotos: Deutsches Marinemuseum


































































































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