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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Geoff Till (NWC USA) per Videozuschaltung: Die USA – Von Roosevelts Great White Fleet zur „Maritime Doctrine in der Reagan-Ära”
tigte. Dr. Frank Nägler machte den Beginn mit seiner Analyse von Curt Freiherr von Maltzahns Werk „Der Seekrieg zwischen Russland und Japan 1904 bis 1905“. An diesem Beispiel analysierte er strategi- sche Instrumente bzw. maritime Strate- gien, wie die einer Risikoflotte, der Ver- teidigungsschlacht und den Kampf um bzw. gegen die Seeherrschaft. Nägler hob Maltzahns Werk als gelungenes Beispiel einer theoriebewussten Geschichtsaus- einandersetzung hervor und verwies hier insbesondere auf dessen Aussage, dass jede strategische Vorkriegsplanung nur eine Strategie für den Übergang in den Kriegszustand sein könne.
Kerrin Langer stellte den Einfluss von See- streitmachtvergleichen auf Rüstungsdy- namiken in Europa zwischen 1889 und 1922 vor – ihr derzeitiges Promotionsvor- haben. Vergleiche von Seestreitmäch- ten katalysieren ihren Forschungen nach sowohl Aufrüstungs- als auch Abrüs- tungsdynamiken. Diese Vergleiche stell- ten in ihrer Visualisierung von Machtver- teilungen ein bewusstes Mittel zur Auf- wertung der eigenen Flotte sowie auch zur politischen Mobilisierung von Aufrüs- tungsressourcen dar. Langer identifizierte zwei Mechanismen von Rüstungsverglei- chen: zum einen konnten Vergleiche von militärischer Stärke den Rüstungswett- bewerb intensivieren und zum anderen als Abschreckung und zur Anerkennung eines beanspruchten formalen und infor- mellen Status des Gegners führen. Fregattenkapitän Dr. Christian Jentzsch beschäftigte sich anschließend mit den Einsätzen der Deutschen Marine als Teil
status seiner Meinung nach in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Grund- lage globaler Einflussnahme sowie gleich- zeitig den Ausgangspunkt des späteren Niedergangs.
Dr. Alessio Patalano hingegen beschäf- tigte sich mit der strategischen Rolle von Seemacht in chinesischen Großmachtvor- stellungen. Um regionale Souveränitäts- ansprüche an der Peripherie im Süd- und Ostchinesischen Meer zu schützen und zugleich globale Machtprojektionen zu artikulieren, stellt Patalanos These nach Seemacht ein zentrales Instrument im chinesischen Denken dar. Dies sieht er in der Tradition der chinesischen Marine begründet, deren Selbstverständnis nach diese als regionale Schutzmacht den Auf- stieg chinesischer Staatlichkeit traditionell eng begleitet habe.
Tobias Kollakowski richtete seinen Blick auf Russland und dessen (historischen) Seemachtstatus. Seiner Schlussfolgerung nach sei Russland weniger eine Seemacht und vielmehr Landmacht par excellence, dessen Marine durch eine Dichotomie von Großmachtambitionen und regiona- len Bedrohungsszenarien gekennzeich- net sei.
Jean de Préneuf widmete sich in seinem zweiten Vortrag der Entwicklung franzö- sischer Seemachtkonzepte seit dem Ers- ten Weltkrieg. Hier habe es eine deutli- che Trennung zwischen dem kontinenta- len Frankreich und dem maritimen Über- seefrankreich – den Kolonialgebieten – gegeben. In den strategischen Überle- gungen spielte letzteres kaum eine Rolle, während seit dem Zweiten Weltkrieg die französische Marine vor allem als Instru- ment zur Sicherung nationaler militärischer Entscheidungsunabhängigkeit gegen-
über Bündnispartnern agierte. Dies stelle die französische Seekriegsstrategie vor das Problem, die eigenen strategischen Para- meter mit den Interessen der Nato zu ver- binden.
Prof. Dr. Geoffrey Till konnte leider nur per Videozuschaltung aus den USA teilnehmen und referierte über die Marinerüstung in den Vereinigten Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg und deren technische, ökonomi- sche und staatliche Aspekte bei der Ent- wicklung einer maritimen Rüstungsstrate- gie. Zentrale Herausforderung ist hier nach Till die Sicherstellung der eigenen ökono- mischen Planungsflexibilität, um auf die unterschiedlichen zukünftigen Konflikt- typen angemessen reagieren zu können. Am Nachmittag übernahm Vizeadmiral a.D. Rainer Brinkmann die Moderation zum Panel, welches sich mit den politi- schen Aspekten von Seemacht beschäf-
18 Leinen los! 9/2022
Roundtable: Maritime Museen im Wandel