Page 17 - Leinen los! 11/2022
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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Am Schlagbaum enden die Republik Polen und die Europäische Union
Helfer der Grenzpolizei
Auch der Leutnant ist anscheinend rat- los. Aber es gebe ja eine deutsch-polni- sche Waffenbrüderschaft mit der Nato- Brigade in Stettin und dass man als Marine-Reserveoffizier gewissermaßen Teil davon sei. Da leuchten die Augen des Grenzers. Man grüßt sich militä- risch mit angelegter Hand an der Stirn und schüttelt sich die Hände. Er erklärt, dass man hier an der EU-Außengrenze besonders wachsam sei, „weil die nervö- sen Russen drüben alles genau mit Sicht- und Abhörgeräten registrieren, was auf der polnischen Seite passiert“. Das führe nur zu unnötigen Verwicklungen. Er bitte sein Verhalten zu entschuldigen, zumal es auch Spionageversuche gebe. Das sei eben anders als an innereuropäischen Grenzen. Die Bauern im Niemandsland hätten außerdem den Auftrag, als „Hel- fer der Grenzpolizei“ – wie zu DDR-Zei- ten – alle auffälligen Bewegungen zu melden. Und wir sind nun mal aufge- fallen. Übrigens: Den ostpreußischen Wald überragen keine Raketenspitzen . . . jedenfalls keine sichtbaren.
hier ist also Schluss mit Westen, EU und Nato. Schnell noch ein Smartphone-Foto. Frisch gepflügt ist der Streifen von rund 5 m Breite, der Polen von Russland trennt, das sich natürlich auch mit einer rot-wei- ßen-Barriere „schützt“. Auf jeder Seite auch ein rot-weiß bzw. grün-rot gestreif- ter Betonpfahl samt Hoheitsabzeichen. Beide tragen einen Adler.
Hand an der Pistole
Nachdenklich wird inne- und Abstand gehalten vor diesem brisanten Bauwerk. Nur Zentimeter vor dem Auto stoppt plötzlich ein Jeep. stRaz GRaniczna ist auf seinen tarnfarbenen Flanken zu lesen, zu Deutsch: Grenzschutz. Ein Uniformierter springt heraus und fuchtelt wild mit den Armen herum, ein Redeschwall ergießt sich über die „Grenzverletzer“, die über- rumpelt und erst mal sprachlos sind. Mit der Hand an seiner Pistole zwingt er sie zum Einsteigen. Ob man Fotos gemacht hätte, stottert er in brüchigem Englisch. Das wird verneint, und das Handy glei- tet unauffällig in den Fußraum. „Doku- menty!“ fordert der Grenzschützer jetzt barsch. Ihm wird das Vorhandene pflicht- gemäß gereicht. Doch der Kollege erbleicht: „O je, hab alles an Bord gelas-
sen!“ Als der Leutnant einen Presseaus- weis sieht, verfinstert sich seine Miene noch um Grade. Der Kapitän der clas- sic lady wird benachrichtigt und nach der Richtigkeit unserer Aussage befragt. Er kann alles bestätigen.
Aber „Presse“? Das ginge hier in dieser sensiblen Region überhaupt nicht. Ob wir die Schilder nicht gelesen hätten? Das wird verneint, weil a) nicht zu verstehen und b) noch zu weit weg, weil in zu kleiner Schrift. Ob man den Grenzstreifen betre- ten hätte? Das koste nämlich 5000 Zloty Strafe. „No, no, no!“ wird wahrheitsge- mäß beteuert und befürchtet, dass er den Stralsundern jetzt etwas anhängen wolle, weil er noch nicht „fündig“ geworden ist.
Eine der Schleusen des Masurischen Kanals noch mit Reichsadler
Die letzten Meter der polnischen Landstraße 63 mit dem Verbotsschild für Fußgänger. Der Wald gehört schon zu Russland
Endlich, nach zwei Stunden Arretierung, wird unter Eskorte das Sperrgebiet ver- lassen. „Dziekuje bardzo!“ und „Czesc!“ Dankeschön und Tschüss! Zu einem Abschiedsfoto konnte sich der polnische Kamerad dann doch nicht durchringen. Das sei gegen die Dienstvorschrift.
Die Aufregung klingt noch lange nach und sorgt an Bord für abendfüllenden Gesprächsstoff sowie einige zusätzliche polnische Biere. 7
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