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Geschichte
Kriegsmarine – Seepolizei – Volksmarine
Ehemalige Angehörige der Kriegsmarine in der Aufbauphase der Seestreitkräfte der DDR
Ingo Pfeiffer
Teil 1
der 70er-Jahre verborgen. In der NVA-Geschichtsschreibung waren Zahlenbelege „Vertrauliche Verschluss- sache“. Im Gegensatz dazu erfuhr die Anleitung sowjetischer Berateroffiziere eine propagandistische Aufwertung.
Der zweiteilige Aufsatz behandelt und würdigt zugleich die Verwendung von ehemaligen Ange- hörigen der Kriegsmarine beim Aufbau nationaler Seestreitkräfte unmittelbar nach Gründung der DDR am 7. Oktober 1949. Deren Anteil und Engagement blieb der Öffentlichkeit bis Mitte
Vor 75 Jahren begann der von sow- jetischer Seite initiierte und ange- leitete Aufbau von Seestreitkräften der DDR. Die Bildung der Hauptabteilung z.b.V. am 28. Februar 1950 innerhalb der Hauptverwaltung Ausbildung (HVA) im Ministerium des Innern (MdI) markiert die organisatorische und personelle Vorbereitung der Gründung Hauptver- waltung (HV) Seepolizei am 16. Juni 1950 unter dem Pseudonym Polizeikräfte. VP-Inspekteur Felix Scheffler leitete die anfangs aus 13 Offizieren, 19 Mannschaf- ten (alle mit Dienstgraden der Volkspo- lizei-VP) und einem Wachkommando bestehende Hauptabteilung. Ihr Sitz befand sich in Berlin-Adlershof, dann Ber- lin-Wilhelmsruh und Berlin-Niederschö- neweide. Stabschef war VP-Kommandeur
Chefinspekteur Scheffler, 1951
Seepolizei-Kokarde
Friedrich Elchlepp, ein ehemaliger Offi- zier der Kriegsmarine. Bis zum Juni 1950 wuchs die Hauptabteilung auf 67 Perso- nen an. Dazu gehörten die VP-Komman- deure Walter Friedrich und Wilhelm Biehl, die VP-Oberräte Karl Tonski und Helmut Neumeister, der VP-Oberkommissar Ger- hard Thomas und VP-Hauptwachtmeister Ludwig Jordan. Zu den Frauen der ersten Stunde gehörten VP-Hauptwachtmeis- ter Lisbeth Eisenreich, VP-Meister Jutta Baumgarten und VP-Wachtmeister Hil- degard Nöbel. Aus dem Sanitätsdienst der Wehrmacht kamen VP-Inspekteur Dr. Otto Steinke und VP-Rat Werner Lengies zur Seepolizei.
Zu den Aufgaben des Teams gehörten: Errichtung Stab der Seepolizei, Aufstel- lung Struktur-und Stellenplan, Erarbei- tung Finanzplan für 1950, erstes Boots- bauprogramm, Vorschriften für Beklei- dung und Dienstgradbezeichnung. Der ehemalige Seefliegerhorst Parow mit
Aufnäher 1950, Uniformjacke
Kasernengebäuden und Hafenanlage musste kurzfristig für die Ausbildung der Seepolizei-Anwärter vorbereitet wer- den. Das erforderte u.a. die Umquartie- rung der in den Kasernen untergebrach- ten Umsiedler. Die Übernahme von Räum- booten der Kriegsmarine und dänischer Marineschiffe aus sowjetischem Kriegs- beutebestand stand bevor. Die Anla- gen im Hafen der Zementfabrik Wolgast mussten als Schiffsanleger und für ein zentrales Ausrüstungslager eingerich- tet werden.
Scheffler (Jg. 1915) fuhr 1933 bis 1937 als Steward und Rettungsbootsmann auf Schiffen der Hamburg-Amerika-Linie. Ab 1937 Wehrmachtssoldat, geriet er im Sep- tember 1941 als Unteroffizier eines Pio- nierbataillons in sowjetische Kriegsgefan- genschaft. Im Auftrag des sowjetischen Geheimdienstes NKWD unternahm er Operationen hinter der Frontlinie. Bis 1947 leitete er das „Politaktiv“ an der zentralen
30 Leinen los! 4/2025
Fotos: Archiv Pfeiffer


































































































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