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Deutsche Marine
Auftrag für Boomeranger gestoppt Kampfschwimmer müssen weiter auf neue Boote warten
Frank Behling
Die Kampfschwimmer der Marine sind eine Eliteeinheit. Ihr wichtigstes Arbeitsgerät sind schnelle und robuste Einsatzboote. Seit Jahren warten sie auf neues Material. Nun werden sie noch länger warten müssen. Der 2022 vergebene Auftrag an den finnischen Hersteller Boomeranger wurde inzwischen storniert.
Die Serie der Pannen im Rüstungs- bereich hält an. Nun hat es erneut die Kampfschwimmer getroffen. Nicht
nur die Sanierung der Schwimmhalle in Eckernförde wurde zum Jahrhundertpro- jekt, auch die Beschaffung neuer Einsatz- boote mutiert zu einem Drama.
Wenn das Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) bislang trainieren wollte, musste es zuletzt meist auf ältere Boote des Typs RHIB H1010 (Rigid-Hulled Infla- table Boat – also aufblasbares Boot mit fes- tem Rumpf) zurückgreifen oder ins Aus- land fahren. Die Anschaffung zeitgemäßer Einsatzboote wurde im April dieses Jah- res gestoppt.
Der Grund sind nach unbestätigten Anga- ben nicht erfüllbare Vorgaben durch die deutsche Rüstungsbeschaffungsbehörde, das Bundesamt für Ausrüstung, Nutzung und Information der Bundeswehr. Details des Vorgangs unterliegen der Einstufung als Verschlusssache. Bekannt wurde aber, dass das Gewicht der Antriebsmotoren für die geforderte Leistung, Handhabung und Umweltauflagen einfach zu groß wurde. Über die Probleme hatte der Hersteller das BAAINBw im April informiert.
„Das Verteidigungsministerium hat die Einsatzboote für die Marine-Spezialkräfte komplett an die Wand gefahren – obwohl von Anfang an alle Alarmglocken geschrillt haben und viele Beteiligte auf die vorhan- denen Probleme hingewiesen haben“, so Ingo Gädechens (CDU), Berichterstat- ter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Verteidigungshaushalt. Bei diesem Beschaffungsvorhaben lasse sich Schritt für Schritt genau nachvollziehen, was im Beschaffungsprozess der Bundeswehr im Argen liegt. „Es wird mehr darauf geach- tet, ob alles rechtskonform ist, als auf die Frage, ob es technisch machbar ist“, erklärt Gädechens.
Einsatzboote der Kampfschwimmer sollten drei Kriterien erfüllen: Schnell müssen sie sein, eine große Reichweite und möglichst robuste Bauweise haben. Die Bundesregie- rung hat den Vorgang jetzt als Geheimsa- che eingestuft – offenbar, weil sonst Rück- schlüsse auf die Ausstattung der Spezial- kräfte gezogen werden könnten. Gäde- chens, selbst ehemaliger Marinesoldat, ist sauer. „Anstatt den Warnungen wirk- lich nachzugehen und auf fachmännischen Sachverstand zu hören, wurde alles so weit wie möglich vertuscht und vernebelt.“ Er unterstellt der Rüstungsbehörde ein zu bürokratisches Vorgehen. „Letztlich war wieder einmal ein juristisch sauberes Verga- beverfahren die oberste Zielsetzung – nicht aber, dass die Truppe schnellstmöglich ein- satzbereites Material erhält. Das sind fal- sche Prioritäten“, betont Gädechens. Hinzu kommen Auflagen in punkto Umweltver- träglichkeit und neuer Antriebe.
Die finnische Firma Boomeranger hatte nach der Freigabe der Haushaltsmittel im Juni vorigen Jahres den Auftrag zum Bau von neun Einsatzbooten erhalten. Der Auf- trag umfasste eine Option auf zwölf wei- tere Boote.
Ganz ohne neue Boote müssen die Kampf- schwimmer aber nicht auskommen. Die Yachtwerft Meyer von der Weser hat sechs Boote der Seelöwe-Klasse für Rettungs- und Sicherungsaufgaben gebaut und aus- geliefert. Für die Einsatzboote kam die Werft aber nicht in die Auswahl, da sie die Voraussetzungen für die Ausschreibung der Einsatzboote nicht erfüllte. „Wir wur- den für diesen Auftrag nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert“, so Werft- chef Jan Meyer.
Aber auch die Marine wurde nicht in die engere Auswahl einbezogen. „Wir wollen Boote haben, die sich bewährt haben und wie sie bei den NATO-Part- nern auch eingesetzt werden“, ist aus der Truppe in Eckernförde zu hören. Neidische Blicke gehen nach Schwe- den, Finnland oder in die Niederlande. Die niederländische Marine besitzt 48 Einsatzboote vom Typ FRISC (Fast Rai- ding, Interception and Special Forces Craft). Für diese Boote läuft gerade ein Erneuerungsprogramm. Darüber hinaus sollen bis 2025 für die niederländischen Seestreitkräfte 20 neue Landungsboote gebaut werden. 7
16 Leinen los! 6/2023
Ein mit Kampfschwimmern besetzter Boomeranger in voller Fahrt
Foto: fb


































































































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