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Navy News
Frankreichs dominiert. Darüber hinaus sind kleinere, aber potente Seemächte wie Italien, Spanien, Frankreich, die Nie- derlande und Dänemark Teil des Bünd- nisses und können dazu beitragen, die maritimen Flanken und Fronten der NATO neu zu definieren. Nach Aufstellung von Geoffrey Till, einem renommierten Exper- ten für Seemacht, fällt die schwedische Marine genau zwischen eine Hochsee- marine vierten Grades, der niedrigsten Kategorie, die mit regionaler Macht- projektion beauftragt ist, und der einer regionalen Küstenverteidigungsmarine (Marine fünften Grades). Die schwedi- sche Marine verfügt über umfangreiche Erfahrungen bei der Landes- und Territo- rialverteidigung auf See und beim Schutz der Handelsschifffahrt, zwei Kernaufga- ben jener Marinen, die ein breites Spek-
trum abdecken. Darüber hinaus verfügt sie über eine gewisse Erfahrung mit multi- lateralen maritimen Operationen wie der EU-Mission zur Bekämpfung der Piraterie Atalanta (2010) und der maritimen Task Force Unifil (2006–2007). Anders als bei den NATO-Erweiterungsrunden um ehe- malige Warschauer-Pakt-Staaten, deren Marinen noch immer an die Allianz her- angeführt werden müssen, hat das Bünd- nis bei Schweden erhebliches maritimes Potenzial.
Derartige Versuche, Marinen in eine Rangfolge zu bringen, sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Die Gefahr, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, ist real, selbst auf See. Allerdings bieten solche konzep- tionellen Überlegungen Anhaltspunkte für das Anspruchsniveau einer Marine sowie für ihr Potenzial, die Fähigkeiten
eines Bündnisses zu erweitern. Gleich- zeitig stehen die westlichen Seestreit- kräfte, wie der österreichische Marine- experte Jeremy Stöhs hervorgehoben hat, vor einem echten Dilemma, da das Streben nach Spitzentechnologie und die damit verbundenen politischen, ope- rativen und finanziellen Kosten für kleine und mittelgroße Seestreitkräfte immer mehr zunehmen. Ein fürs 21. Jahrhundert zeitgemäßer und potenziell quantifizier- barerer Ansatz würde die Größe und Art der Flotte, ihre geografische Reichweite, ihre Funktionen und Fähigkeiten, ihren Zugang zu Spitzentechnologie, ihren Ruf und die von ihr gebotene technologische Exzellenz betrachten. Eine eingehende Erörterung dieser Aspekte würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber vier technologische Spitzenleistungen, die Schweden potenziell einbringen kann, sind eine nähere Betrachtung wert.
Schwedens Marine
Der schwedische Beitrag bei den Fähig- keiten der Seestreitkräfte umfasst vier bemerkenswerte Beispiele. Erstens: Die Korvetten der Visby-Klasse sind eine schlanke und leistungsfähige Schiffs- klasse, die für Schwedens raue Küsten optimiert ist. Ihre niedrige Radarsigna- tur hilft, sie vor feindlichen Sensoren zu verbergen. Sie werden den ständigen NATO-Einsatzverbänden, die im Ostsee- raum und an der Nordflanke operieren, Mittel zur Verfügung stellen und damit den Anteil der Küstenvorfeldfähigkei- ten des Bündnisses die dringend benö- tigte Glaubwürdigkeit verleihen. Nicht zuletzt dient ihr sehr modernes Design, von dem man hofft, dass es in einer künf- tigen Nachfolgeklasse in gewisser Weise fortgeführt wird, dazu, die technologische Überlegenheit der Werften der NATO- Mitgliedstaaten zu demonstrieren. See- streitkräfte, die oft nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ operieren, müssen Bevölkerung und politisch Ver- antwortlichen immer wieder klarmachen, dass sie die entscheidende Unterstüt- zung für solche langfristigen Investitionen benötigen. In Ermangelung von Fregat- ten könnten Korvetten wie die schwedi- schen für andere Ostseeanrainerstaaten interessant sein, die noch nicht über sol- che mittelgroßen Kriegsschiffe verfügen. Zweitens: Schwedens amphibisches Angriffselement, insbesondere die CB- 90-Schnellboote, die auch in Deutsch-
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