Page 43 - Leinen los 7-8/2024
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Ultimatum an Serbien
Am 25. Juli geht an Bord der Funk- spruch über das österreichische Ultima- tum an Serbien ein. „Da kam der Kaiser“, so berichtet Admiral von Müller, „wie üblich, vor dem Frühstück an Deck und sagte zu mir, der ich den Funkspruch von Norddeich in der Hand hatte: ‚Was, das ist doch einmal eine forsche Note‘. Ich antwortete: ‚Ja, forsch ist die Note, aber sie bedeutet Krieg!‘ Worauf der Kaiser meinte, den Serben würde es gar nicht einfallen, einen Krieg zu riskieren.“ Als kurz darauf ein Telegramm aus Russland eingeht, dass es in dem sich anbahnen- den Konflikt „nicht uninteressiert“ blei- ben könne, schlägt die Stimmung an Bord blitzartig um: „Nun war plötzlich große Aufregung.“ Am nächsten Morgen um 6 Uhr geht SMY HoHenzoLLern Anker auf! – Kurs Heimat. Die letzte Sommerreise Wilhelms II. ist zu Ende.
Drohende Kriegsgefahr
Dann geht es Schlag auf Schlag: Der Kai- ser, gerade von seiner Seefahrt zurück- gekehrt, liest am 28. Juli morgens die anscheinend durchaus entgegenkom- mende serbische Antwort auf das öster- reichische Ultimatum, die explizit nur die Mitwirkung von k. u. k. Regierungsstel- len bei den Mordermittlungen auf serbi- schem Territorium verweigert, und stellt fest: „Aber damit fällt jeder Kriegsgrund fort“, um sodann den Staatssekretär Gott- lieb von Jagow vom Auswärtigen Amt
Landhaus Doorn
schriftlich anzuweisen, die Österreicher von dieser seiner Auffassung in Kenntnis zu setzen. Doch jetzt wird der Kaiser „über- spielt“ (Fritz Fischer): Denn Jagow befolgt dessen Weisung ebenso wenig wie der Reichkanzler, der des Kaisers Beurteilung nur mit Verzögerung, und ohne den „feh- lenden Kriegsgrund“ zu erwähnen, nach Wien übermittelt, und zwar erst, nachdem Österreich-Ungarn um 11:00 Uhr an die- sem 28. Juli Serbien den Krieg erklärt hat. Russland macht daraufhin am 29. Juli teil- und am Folgetag gesamtmobil, der deut- sche Kaiser erklärt am Nachmittag des
31. Juli den „Zustand drohender Kriegsge- fahr“ („Man drückt uns das Schwert in die Hand“). Und als sich am 1. August die vor- eilige Meldung des deutschen Botschaf- ters in London über eine avisierte französi- sche und englische Neutralität, die den Kai- ser veranlasst, Sekt auffahren zu lassen und den verzweifelten Generalstabschef Hel- muth von Moltke anzuweisen, den bereits im Westen mit ersten Patrouillen in Luxem- burg angelaufenen Aufmarsch zu stoppen und sich nur gegen Russland zu wenden, gegen Mitternacht als „Ente“ entpuppt, meldet sich Wilhelm II. für den Rest des Krieges aus dem Kreis – mit den Worten an den zum Kriege drängenden Moltke: „Nun können Sie machen, was Sie wollen“.
Deutschland erklärt Russland den Krieg
Das Ergebnis ist bekannt: Da Russland trotz deutschen Ultimatums seine Mobil- machung nicht zurücknimmt, erklärt das Deutsche Reich unter vorheriger Mobil- machung um 17:00 Uhr noch am gleichen Tag Russland den Krieg. Am 3. August dann der deutsche Einmarsch in Belgien und die Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich mit der Erfindung franzö- sischer Grenzverletzungen. Mit Ablauf eines britischen Rückzugsultimatums um Mitternacht tritt schließlich das Vereinigte Königreich am 4. August in den Krieg ein. „Der Schlieffen-Plan für einen Zweifron- tenkrieg mit seinem Aufmarsch durch
Geschichte
Gräf & Stift Automobil im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien, mit dem Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo unterwegs war
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Foto: Gräf & Stift/201703 Stefan 97
Foto: Ziko van Dijk


































































































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