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Mensch.Schifffahrt.Meer.
Schmiede der Nautiker und See-Logistiker Eine Biographie der Seefahrtschule Elsfleth
Frank Ganseuer
Die Weser ist einer der größten Strö- me Deutschlands und an ihrem Un- terlauf, der Unterweser, eine der bedeu-
tendsten Seeschifffahrtsstraßen Euro- pas. Die heute größte Ausbildungsstätte für Nautische Offiziere und maritim-lo- gistische Dienstleistungen in Deutsch- land und eine der größten in Europa, die ehemalige Seefahrtschule Elsfleth, heu- te Fachbereich Seefahrt und Logistik der Jade Hochschule Oldenburg/Wilhelms- haven/Elsfleth, entstand daher nicht oh- ne Grund in dieser traditionsreichen ma- ritimen Region. Von hier liefen unter der Flagge des Großherzogtums Oldenburg, dem roten Kreuz auf blauem Grund, im 19. Jahrhundert zeitweise bis zu 175 Schif- fe hinaus auf die Ozeane – eine kleine Weltmacht und ein Global Player. Man engagierte sich nicht nur in der weltwei- ten Frachtschifffahrt unter Segeln, son- dern auch im Walfang, der Verschiffung von Auswanderern in die Neue Welt und der Heringsfischerei. Darüber hinaus ver- fügte man über eine reiche Werftenland- schaft. Nicht zuletzt hatte auch die ers- te deutsche Flotte unter Contre-Admiral Carl Rudolph Brommy neben Bremerha- ven in Brake ihren Stützpunkt.
Flagge des Großherzogtums Oldenburg
So nahm das Großherzogtum Olden- burg einen durchaus respektablen Platz im Ranking der deutschen Seeschifffahrt ein, und Elsfleth war mit 22 Reedereien im Jahre 1875 hinter Hamburg und Bre- men gar drittgrößter Schifffahrtsstand- ort Deutschlands. Kein Wunder also, dass dieses Seefahrer-Land auch zum Standort maritimer Ausbildung wurde, dem der Navigations- und späteren See- fahrtschule Elsfleth.
Seefahrtschule Elsfleth
In Hamburg, genauer gesagt in Altona, wurde 1749 die erste Navigationsschule auf deutschem Boden gegründet, Brom- my, der erste Chef einer deutschen Mari- ne, war einer ihrer bekanntesten Absol- venten. Stettin (1756), Emden (1782), Bre- men (1798) und Lübeck (1808) folgten und auch an der Oldenburgischen Unterwe- ser wurde eine derartige Schule ins Le-
Großherzog Paul Friedrich August von Oldenburg
ben gerufen. Nautik und Seemannschaft ließ man sich zumeist von ehemaligen Steuerleuten und Kapitänen im Privatun- terricht verklaren, natürlich nur im Win- ter, wenn man nicht zur See fuhr. Bei orts- ansässigen Schullehrern nahm man viel- leicht noch Unterricht in fremden Spra- chen und im Rechnen, es gab jedoch im Großherzogtum Oldenburg bis Anfang der Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts keine geregelte Ausbildung für Seeleu- te, ebenso keine seemännischen Befä- higungsnachweise. Man fuhr einfach so zur See, aus Erfahrung und im günstigs- ten Falle mit Glück.
Doch mit der Ausweitung der Fahrgebie- te über den englischen Kanal hinaus und der Zunahme von Anzahl und Größe der Schiffe war das Fahren nach Gefühl nicht mehr geboten, und Bremen, für dessen Rechnung damals viele Oldenburger Schiffe fuhren, verlangte schon seit 1828 die Ablegung einer nautischen Prüfung von Schiffsführern und Steuerleuten vor einer Bremischen Kommission. Letzteres aber behagte den Oldenburgern zuneh- mend weniger. Und so ergriffen im Jahre 1831 zehn Elsflether Reeder die Initiative zu einer Eingabe an die Großherzogliche Regierung zwecks Gründung einer Navi- gationsschule. Mit Erfolg: „Zum Besten
22 Leinen los! 10/2020
Fotos: Jade Hochschule Oldenburg/Wilhelmshaven/Elsfleth


































































































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