Page 19 - ll_7-8_2020
P. 19

Tanker als mobile Öllager Weltweite Schwemme – wohin mit dem Rohöl?
Frank Behling
Die Auswirkungen der Corona-Krise haben die Nachfrage nach Rohöl auf der Welt einbrechen lassen. Weniger
Verkehr und weniger Industrieproduktion sorgen für sinkende Absatzmengen und einen Preisverfall beim Öl. Die Förderung und Verladung läuft jedoch weiter. Dies führt dazu, dass Makler und Lieferanten vorübergehend gewaltige Mengen Rohöl auf hoher See in Tankern zwischenlagern. In der Nähe großer Raffinerien und an Knotenpunkten von Seewegen wie am Persischen Golf, im Golf von Mexiko, vor der Küste Kaliforniens oder in der Nord- see sammeln sich seit April ganze Tanker- Flotten. Allein in der Nordsee sind nach Analysten-Berichten Tanker mit rund 1,5 Mio. t Rohöl geparkt worden. Inzwischen hat diese Ölschwemme auch die Ostsee erreicht. Vor den dänischen Häfen im Kattegat ankern inzwischen über 40 Tanker. Ein Teil davon ist voll mit Roh- öl aus Russland, Norwegen oder Schott- land. Zu normalen Zeiten liegen dort zwi- schen 15 und 20 Tanker.
Vor Rotterdam ankerten Anfang Juni über 60 Tanker aller Größen. Die riesigen Tanker der Aframax oder VLCC-Katego- rie dienen inzwischen als schwimmende Lagerstätten. Diese Schiffe können zwi- schen 100.000 und 300.000 t Öl bunkern. Jüngste Zugänge dieser Ölflotte vor dem dänischen Hafen Frederikshavn sind die drei Supertanker amyNtas, NeW pioNeer und miltiadis JuNior. Das Trio kann allein fast 900.000 t Rohöl aufnehmen. Alle drei Tanker brachten im Mai Rohöl aus dem Persischen Golf nach Rotterdam oder An- tibes (Frankreich).
Nach dem Entladen wurden die Tanker auf dem Ölmarkt angeboten und beka- men den Auftrag, nach Skagen zu fahren. Dort gibt es auf der Ostseite geschützte Ankerplätze. Diese jeweils 330 m langen und 60 m breiten Giganten haben dort von kleineren Tankern Rohöl aus Russland geladen. Der Grund für diese Verladung aufSeeisteinfach.MitihremTiefgang von bis zu 18 m kommt keiner der drei durch Kadetrinne und Fehmarnbelt. Des- halb wird das Öl von kleineren Tankern
Der Rohöltanker amyntas beim Auslaufen aus dem Europort in Rotterdam zur Ölübernahme nach Skagen
Mensch.Schifffahrt.Meer.
Die neW Pioneer auf dem Weg von Antibes nach Skagen in der Nordsee
aus den russischen Ostseehäfen zu den Ankerplätzen im Kattegat gefahren. Dort wird das Öl in Schläuchen von Schiff zu Schiff gepumpt. Die Tanker mit russi- schem Öl sind vor Dänemark aber nicht alleine. Auch Tanker mit Rohöl von norwe- gischen und schottischen Ölfeldern oder Flüssigerdgas aus Norwegen warten dort auf Ankerposition.
Wohin die Schiffe das Öl später bringen, ist noch offen. Der britische Branchen- dienst Argus hat herausgefunden, dass Teile dieser Ladungen laut der Fracht- abschlüsse nach Indien und sogar bis China gebracht werden. Aber auch Rotterdam oder Häfen in Nordameri- ka sind Zielgebiete. Laut Argus hat sich die Menge der in der Nordsee „gepark-
ten“ Ölmenge binnen eines Monats auf 22 Mio. Barrel fast verdoppelt. Die Öl- menge vor Skagen und Frederikshavn soll sich laut Argus auf 5 Mio. Barrel er- höht haben.
Aber auch im Atlantik liegen seit April gro- ße Öltanker, die auf den Zeitpunkt für ei- ne Entladung warten. Viele Eigner war- ten auf einen Anstieg der Ölpreise. Bei 300.000 t Rohöl machen schon kleinste Anstiege beim Ölpreis pro Tonne einen erheblichen Unterschied.
Deshalb wurden laut Argus seit März be- reits 71 der 810 weltweit eingesetzten Su- pertankerderVLCC-KategoriealsLager- schiffe auf den Ozeanen positioniert. Die- se Schiffe haben Platz für über 21 Mio. t Rohöl. 7
Leinen los! 7-8/2020 19
Fotos: fb


































































































   17   18   19   20   21