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Maritime Sicherheitspolitik
Nach der Implementierung von CMP im nordwestlichen Indischen Ozean ist eine Ausweitung auf andere Seege- biete geplant. Welche Seegebiete das sein werden, wird davon abhängen, wo die EU-Mitgliedstaaten den größten Handlungsbedarf sehen. Es wird auch von der zukünftigen strategischen mari- timen Schwerpunktsetzung abhängen, die sich aus der bereits erwähnten Aktu- alisierung der EU-Strategie für Maritime Sicherheit ergeben wird.
Angesichts knapper Ressourcen und des Prinzips des „single set of forces“ an Land und auf See wird die Notwen- digkeit einer effektiven Koordination von maritimer Präsenz von EU-Mit- gliedstaaten in relevanten Seegebieten zunehmen. CMP ist hierfür das wesent- liche Instrumentarium, welches es der EU ermöglicht, maritime Präsenz auch außerhalb von Missionen und Operati- onen zu demonstrieren und das Enga- gement mit „Wertepartnern“ (likemin- ded partners) zu stärken.
Kernaussagen
Seewege sind Teil der globalen kritischen Infrastruktur
Angesichts von hohen Abhängigkei- ten von Importen ist die Sicherheit auf See essenziell für Welthandel und Wohlstand – auch für uns in Deutsch- land. So z.B. auch für die Energiewende: Bei Solarpanelen haben wir eine über 90-%-Importabhängigkeit von China. Die Energiewende in Deutschland ist somit abhängig von dem Handel mit China und der Freiheit der Seewege. Verzögerun- gen im Warenfluss auf See wirken sich direkt auf Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland aus. Die Blockade des Suezkanals hat uns deutlich vor Augen geführt, wie anfällig Schifffahrtsrouten für Störungen sind und unmittelbar zu Unterbrechungen von Lieferketten und Warenströmen führen.
Von Disruptionen betroffen sind nicht nur die Seewege als Hauptverkehrsadern auf See, sondern auch Infrastrukturen an Land wie Terminals zum Be- und Entla- den von Containerschiffen. Gemessen am „Global Disruption Indicator“ oder dem „Kiel Trade Indicator“ werden die Warte- zeiten von Containerschiffen länger. Auf- grund der integrierten Transportketten und des „Just-in-time-Prinzips“ führt die- ses zu Verzögerungen im Weitertransport der Waren an Land und Produktionsun-
Die Karte zeigt die gewaltige Ausdehnung des nordwestlichen Indischen Ozeans
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terbrechungen in nachgelagerten Indus- trien, die dringend auf die Lieferungen angewiesen sind. Ergebnis sind extreme Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung bei uns hier in Deutschland.
Der Krisenherd Afrika bedroht die maritime Sicherheit . . .
. . . und hat Auswirkungen auf die Sicher- heit bei uns in Europa. Afrika bleibt geo- politisch ein Kontinent mit vielen, unge- lösten Herausforderungen im Spannungs- feld von Ressourcenreichtum einerseits und einer hohen politischen Instabilität mit einer Fragmentierung von Interessen andererseits. Wesentliche Seewege gehen um Afrika herum. Hier ist mehr Engage- ment gefordert, z.B. durch eine Inten- sivierung der Zusammenarbeit mit den Anrainer-Staaten am Golf von Guinea, am Horn von Afrika und auch im Mittelmeer. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukra- ine verschlimmert die Situation in Afrika, direkt und indirekt:
y Direkt: Düngemittel werden wegen des russischen Überfalls auf die Ukra- ine knapp. Lokale Getreideernten bre- chen ein. In Somalia stammten 92 % des importierten Weizens aus der Ukraine und Russland. Diese Zufuhr bricht nun weg und muss durch andere Quel- len ersetzt werden. Somalia ist drin- gend auf Lieferungen aus dem Welt- ernährungsprogramm World Food Pro- gramme der UN angewiesen, die auf dem Seeweg erfolgen. Plakativ gespro- chen: Ohne Sicherheit auf See sind die Getreidelieferungen gefährdet. Hun- gersnöte drohen.
y Indirekt: Die öffentliche Wahrnehmung fokussiert sich auf die Ukraine, ebenso die Spenden- und Hilfsbereitschaft. Finanzmittel der EU aus der Europäi-
schen Friedens-Fazilität, die ursprüng- lich im Rahmen der mittelfristen Finanz- planung für Projekte in Afrika vorgese- hen waren, werden derzeit primär ver- wendet, um die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen. Bisher wur- den der Ukraine aus diesem Finanzie- rungsinstrument 3,1 Mrd. Euro zur Ver- fügung gestellt.
Aufgrund des anhaltenden Konflikts in der Ukraine laufen wir Gefahr, Afrika aus dem Blick zu verlieren. Das darf nicht pas- sieren. Ansonsten werden die Probleme in Zukunft gravierender werden. Dieses betrifft die Region rund um den Sahel, Zentralafrika und insbesondere auch das Horn von Afrika angesichts von anhalten- der Dürre und drohenden Hungersnöten. Wir müssen Afrika auch weiterhin bei der Sicherung seiner Seewege im Sinne eines anzustrebenden „local ownership“ unterstützen. Die EU wird CMP im Golf von Guinea und im nordwestlichen Indischen Ozean dazu nutzen, flankiert von Initiati- ven zur Stärkung von Infrastruktur und dem Aufbau von maritimen Fähigkeiten, z.B. durch die Europäische Friedens-Fazilität.
Die Gewährleistung der Sicher- heit auf See ist nur durch einen „Integrated Approach“ möglich
. . . und Deutschland sollte hier eine stär- kere Rolle einnehmen. Angesichts stei- gender sicherheitspolitischer Herausfor- derungen und immer knapperen Ressour- cen kann kein Akteur in der EU sich alleine den Herausforderungen stellen. Auf EU- Ebene bedarf es daher einer konsequen- ten Umsetzung des Integrated Approach, in dem EU-Mitgliedstaaten gemeinsam mit Wertepartnern auf militärischer und ziviler Ebene kooperieren. Auf der mari- timen Ebene schließt dieses selbstver-
Grafik: EAD/EEAS


































































































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