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Schutz der Meeressäuger hat hohe Priorität Marine erprobt Blasenschleier um die Sprengstelle
Matthias Faermann
Unterwassersprengungen der Marine stehen seit einiger Zeit in der Kritik von Umweltverbänden und
Naturschützern, da durch die Spren- gungen Meeressäuger, speziell der in den deutschen Gewässern heimische Schweinswal, erheblich gefährdet wer- den. Darauf verzichten kann die Marine jedoch nicht. Übergeordnetes Ziel ist es, die Seewege sicher zu halten. Dafür müssen Minenjagdboote und Minen- taucher in der Lage sein, Seeminen und andere unter Wasser eingesetzte Munition beseitigen zu können – notfalls durch Sprengungen. Um die volle Ein- satzfähigkeit zu gewährleisten, benöti- gen die Minenabwehrkräfte eine praxi- sorientierte Ausbildung, die mit einer NATO-Zertifizierung abschließt. Dafür sind Übungs- und Ausbildungsspren- gungen unbedingt erforderlich. Also gilt es, die Ausbildungsanforderungen und den Schutz der Meeressäuger unter einen Hut zu bringen; Verteidigungsfä- higkeit und Artenschutz sind sorgfältig im Dialog mit den Naturschutzbehör- den abzuwägen.
Räumliche Verteilung aller Beteiligten im Übungsgebiet. Je ein Minenboot übte neben der Sprengstelle, während ein Speedboot seine Position zum Vergrämen übernahm. Zivile Forschungsschiffe bewegten sich frei im Gebiet, um ihre Messungen vorzunehmen
Deutsche Marine
Schweinswal in der Nordsee
Erstmal seit drei Jahren fand Anfang November ein Übungssprengen in der Ostsee im Übungsgebiet Schönhagen statt. Zum Schutz der Fische und Mee- ressäuger wurde dabei ein erheblicher Aufwand betrieben. Der Zeitpunkt wurde bewusst außerhalb der Fortpflan- zungszeit der Meeressäuger und unter Berücksichtigung der Fisch-Schonzeiten
gewählt. Zusätzlich halten die Übungen größtmöglichen Abstand zu Schutzge- bieten gemäß der Flora-Fauna-Habi- tat-Richtlinie der EU. Bereits in der Ver- gangenheit hatte die Marine mit Sonar- Schallimpulsen und kleinsten Spreng- ladungen Meerestiere vor geplanten Sprengungen vergrämt. Im Moment rüstet sie ihre Minenjagd- und Minen- tauchereinsatzboote mit modernen sogenannten Seal Scarern und Pingern aus. Diese Geräte senden unterschied- liche Schallsignale aus und werden übli- cherweise benutzt, um z.B. Meeressäu- ger von Aquakulturen oder Fischernet- zen fernzuhalten. Hinzu kam bei den aktuellen Sprengübungen erstmals eine besonders aufwendige Schutzmaß- nahme. Die Wehrtechnische Dienst- stelle (WTD) 71 des BAAINBw ließ durch eine zivile Firma einen sogenannten Bla- senschleier um die Sprengstelle auf- bauen. In drei konzentrischen Ringen wurden dicke Schläuche ausgelegt, die von einer Plattform in See Druck- luft erhielten. Durch millimetergroße Öffnungen in den Schläuchen wurde ein
dichter Vorhang aus Luftblasen gelegt, der den Schallimpuls der Sprengungen erheblich minderte. Zivile Firmen nut- zen diese Technik bereits beim Bau der Fundamente von Windkraftanlagen in See. Dieses Vorgehen wurde von aus- führlichen Messungen der WTD 71, des Helmholtz-Zentrums für Ozean- forschung GEOMAR in Kiel und einer vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) beauftragten Firma begleitet. Zusätz- lich hatte das Bundesamt für Infrastruk- tur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr in Absprache mit den Naturschutzbehörden und Bundes- wehrdienststellen einen Leitfaden für Unterwassersprengungen entworfen. Er gilt für alle Ausbildungs-, Übungs- und Erprobungszwecke der Bundes- wehr in Nord- und Ostsee. Erkenntnisse aus dem ersten Übungssprengen mit einem Blasenschleier werden in seine nächste Fassung einfließen. Das gemäß demLeitfadenneuerforderliche,aus- führliche Genehmigungsverfahren ist auf mehr als 1000 Druckseiten doku- mentiert. 7
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Grafik: Bundeswehr