Page 16 - LL 10/2022
P. 16
Mensch.Schifffahrt.Meer.
Zukunftsmusik und Gegenwartsbezug Kiel International Seapower Symposium 2022
Sebastian Bruns*
Ein häufig vor allem britischen Premi- erministern verschiedener Epochen in den Mund gelegtes Bonmot sagt, dass
Vorhersagen schwierig sind – insbeson- dere, wenn sie die Zukunft beträfen. Rund 100 dementsprechend mutige und moti- vierte Gäste kamen nichtsdestotrotz kürz- lich beim diesjährigen Kiel International Seapower Symposium (KISS) zusammen, um über „Naval Warfare 2040“ und über Strategien für den Ostseeraum zu bera- ten. Vorhersagen waren natürlich nicht zu treffen, sondern vielmehr Szenarien zu entwickeln, welche die maritime Sicher- heit zwischen heute und in knapp 20 Jah- ren betreffen würden. Das Symposium, das mittlerweile siebte seit 2015, fand nach den pandemiebedingten Veränderungen der letzten beiden Kalenderjahre nunmehr wieder in Präsenz statt. Dankbarkeit und Vergnügen, wieder unter seinesgleichen zu weilen, waren bei den Vertretern aus Wissenschaft, Streitkräften, Politik, Wirt- schaft und Verbänden allenthalben zu spü- ren. KISS ist längst ein fester Bestandteil im transatlantischen maritim-sicherheits- politischen Kalender und Europas größte Seapower-Konferenz. Erstmalig wurde die Tagung vor die Kieler Woche gezogen, um nicht mit dem Berliner parlamentarischen Kalender zu kollidieren und um die Kon- ferenz zweitägig durchzuführen. Während der erste, vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) verantwortete Tag sich mit dem strategischen Ausblick auf das Jahr 2040 befasste, stand der von der Hermann-Ehlers-Stiftung (HES) organi- sierte zweite Tag ganz im Zeichen der Ost-
Der vom DMB und dem ISPK verantwortete German Navy Fleet Tracker fand unter den internationalen Gästen großes Interesse
see. Auf diesem Wege verband sich also der maritime Weitblick einerseits mit den sehr gegenwärtigen, politisch und geo- graphisch nahen und nächsten Heraus- forderungen.
Eröffnet wurde KISS durch Prof. Dr. Jür- gen Krahl, Präsident der Fachhochschule Lemgo. Der ausgewiesene Zukunftsfor- scher führte plastisch in das Jahr 2040 und skizzierte die tiefgreifenden Verän- derungen politischer, gesellschaftlicher und technologischer Natur, die Verspre- chen und Bedrohung zugleich sein dürf- ten. Ressourcenkonflikte und technolo- gische Durchbrüche, künstliche Intelli- genz und aggressiver Nationalismus sind
nur einige der Beispiele, die – sich häu- fig gegenseitig verstärkend – auf uns war- ten. Aus maritim-planerischer Sicht gilt es einerseits, diese Aspekte der kommenden Sicherheitspolitik zu antizipieren, ande- rerseits aber auch die Herausforderun- gen der Gegenwart nicht aus dem Blick zu lassen. Das folgende Panel nahm sich dieser Problematik an und versuchte sich an einer Verknüpfung des russischen Krie- ges gegen die Ukraine mit dem Brücken- schlag von 2022 nach 2040. Das hochran- gig besetzte Podium kam zum Schluss, dass die Marinen der Nato auf die seit 2014 in die Wege geleiteten Verände- rungen und Verbesserungen aufbauen könnten. Die Redner wiesen darauf hin, wie wichtig abschreckende maritime Prä- senz an Hot Spots sei und waren sich einig, dass der Fluch der kleinen Zahl an seege- henden Einheiten europaweit eine auch bis 2040 kaum überwindbar erscheinende Hürde darstelle. Im Anschluss diskutierten
Dr. Alix Valenti moderiert ein hochwer- tiges Panel, v.l. Vizeadmiral Frank Lenski (Marinekommando, Rostock), Vizeadmi- ral Eugene Black (US Navy, Neapel), Jeremy Stöhs (ISPK/Graz)
16 Leinen los! 10/2022
Fotos: ISPK/Gunnar Dethlefsen