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Mensch.Schifffahrt.Meer.
TKMS-Börsengang eröffnet neue Marktchancen
Hans Jürgen Witthöft
Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) ist seit Ende Oktober 2025 nach dem Börsenstart ein eigenständiges Unternehmen. Damit ist gleichzeitig ein bedeutender Schritt in der Neuausrichtung der deutschen Wehr- technik und maritimen Industrie vollzogen.
Mit dem Börsengang ist nun die Abspaltung von TKMS von der thyssenkrupp AG Realität geworden. Vor
dem Börsenauftakt wurde ein Minder- heitsanteil von 49 % der TKMS-Aktien an die Aktionäre der thyssenkrupp AG pro- portional zu ihrer aktuellen Beteiligung übertragen. Der Industriekonzern thys- senkrupp selbst sicherte sich mit seiner verbleibenden Mehrheit von 51 % weiter- hin strategischen Einfluss auf die Marine- sparte und wird an deren Erfolg partizipie- ren. Das Schiff mag vom Dock gelöst sein, die dicken Trossen an der Konzernpier sind geblieben, so beschrieb ein Aktionärsver- treter diese Konstruktion.
Auf die Bedeutung der aktuellen Entwick- lung eingehend, kommentierte TKMS- CEO Oliver Burkhard: „Heute schlagen wir ein neues Kapitel in der Geschichte von TKMS auf und senden gleichzeitig ein starkes Signal für die maritime Sicher- heit. Als Europas einziges vollintegrier- tes Systemhaus für maritime Verteidi- gung vereint TKMS die Plattformexper- tise im Unter- und Überwasserbereich mit einer starken Marktpositionierung in den Bereichen maritimer Elektronik, Sensorik, Effektoren, unbemannter Systeme, mariti- mer Führungssysteme und Software. Die Eigenständigkeit ermöglicht uns künftig, Agilität und Flexibilität zu gewinnen. Das wird unseren Kunden und unseren Part- nern in der NATO bei der dringend nöti- gen Modernisierung ihrer maritimen Streit- kräfte zugutekommen. Mit dem Börsen- gang eröffnen wir einem breiten Inves- torenkreis die Möglichkeit, an dieser wichtigen Aufgabe teilzunehmen.“
Das prall gefüllte Auftragsbuch von TKMS hat sich über die letzten fünf Jahre ver- dreifacht und liegt aktuell auf einem Rekordniveau von 18,6 Mrd. Euro (Stand: 30. Juni 2025). In den kommenden Jahren
20. Oktober: Erstmals werden TKMS-Aktien an der Frankfurter Börse gehandelt
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wird dieser Auftragsbestand vor dem Hin- tergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine und der veränderten, angespann- ten Sicherheitslage in der Welt auch wei- terhin zunehmen. Allgemein ist von einem starken Anstieg der Verteidigungsausga- ben in Europa und den alliierten Ländern auszugehen, an dem auch TKMS teilha- ben wird.
TKMS sieht sich selbst als Systemlieferant für nicht-nuklear angetriebene U-Boote und Überwasserschiffe wie Fregatten und Korvetten sowie für maritime Elektro- nik und Sicherheitstechnik. Das Unterneh- men beschäftigt auf seinen drei Werften in Kiel, Wismar und Itajai (Brasilien) weltweit 9100 Menschen, darunter 3700 am Haupt- sitz in Kiel. Mit dem erfolgreichen Börsen- gang erhält TKMS nun Zugang zum Kapi- talmarkt, was neue Wachstumschancen eröffnen dürfte.
Eine Beteiligung des Bundes an dem neu aufgestellten Unternehmen, wie unter anderem von der Gewerkschaft IG Metall gefordert, ist vorerst nicht geplant. Die Bundesregierung hat jedoch bereits ihre Rückendeckung öffentlich zugesagt und sich umfangreiche Rechte und Einfluss- möglichkeiten gesichert – inklusive eines Sitzes im TKMS-Aufsichtsrat.
Aktuell bewirbt sich TKMS um einen gro- ßen Rüstungsauftrag aus Kanada. Dabei geht es um acht bis zwölf konventionelle U-Boote für die Royal Canadian Navy (RCN). Im August hatte der kanadische Premier- minister Mark Carney an der Spitze einer Delegation, zu der auch der Verteidigungs- minister gehörte, die U-Boot-Schmiede in Schleswig-Holstein besucht. Das zeugt von der Bedeutung, die beide Seiten diesem Auftrag beimessen. Mitbewerber ist eine Werft in Südkorea. Falls TKMS den Zuschlag erhält, sollen die Boote sowohl am Stamm- sitz in Kiel als auch in Wismar in Mecklen- burg-Vorpommern gebaut werden.
Wie breit das Unternehmen aufgestellt ist, zeigt der vom Bundesamt für Ausrüs- tung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) jüngst erteilte Auftrag an das TKMS-Segment Atlas Elek- tronik über die Lieferung von Minenjagd- sonaren für die Minenjagdboote der Klasse MJ 332. Das Sonar dient der umfassenden Suche nach Seeminen im Wasser und am Meeresboden. Durch die frühzeitige Beauf- tragung kann die Integration der Sonare in die Minenjagdboote risikoarm und termin- gerecht in den geplanten Werftliegezeiten erfolgen. Dies sichert die fortlaufende Ein- satzbereitschaft der Boote. 7
Foto: TKMS

