Page 17 - Die Seuche
P. 17
9.1
Es verging kaum eine Nacht, in der Vallira nicht schweißgebadet aufwachte. Schreie der
Verzweifelten hallten in ihrem Kopf. Schwer lasteten die Erinnerungen auf ihrer Seele und
hinderten sie seit Monaten, ordentlich durch zu schlafen. Hätte sie etwas gegen Nimari und den
Soldaten unter ihrem und Axtschlags Kommando unternehmen können? Wäre sie ebenfalls
abgeschlachtet worden, wie diese armen Leute? Ihre Gedanken wurden von einem Klopfen
unterbrochen. Sie raunte und schloss die Augen fester. Das vehemente Hämmern gegen die Tür
verstummte aber nicht. Sie kämpfte sich aus dem Bett, schien dringend zu sein. Ein Bote drückte
ihr einen Umschlag entgegen. “Aus Eurer Heimat, Gnädigste.”, er deutete eine Verbeugung an
und wendete sich ab. Nachdem sie sich an den Tisch setzte und eine Kerze entzündete, löste
sie das Siegel der Kristallstadt und begann die Zeilen zu überfliegen. Ihr Gesicht nahm eine
ungesunde Blässe an, sie hielt das Papier an die Flamme am Ende des Dochts und betrachtete
mit ängstlicher Miene die verbrennende Hiobsbotschaft. Eilig packte sie ihre Habseligkeiten und
ließ die Tempelstadt bei Nacht und Nebel hinter sich, ebenso wie ein hastig verfasstes
Pergament.
“Mutter, ich weiß ich breche meine Pflichten als Frau des Glaubens. Aber die Umstände zwingen
mich dazu, der Tod hält Einzug in Jarikswall. Mein göttlicher Beistand wird dort dringender
benötigt. Und ich bin ein wenig erleichtert, Gór hinter mich lassen zu können. Du weißt, was ich
in Finsterwald gesehen habe, und ich fürchte um mein Leben. Ich werde unsere Priesterinnen in
meine Gebete mit einschließen, auf dass sie als Augenzeugen der Grauen nicht verunglücken.
Lebt wohl, Mutter. Und passt auf Euch auf.
------------------------------------------------------
Einige Wochen später landet ein erschöpfter Rabe mit einer Nachricht in Gór.