Page 110 - Taschenbuch Michel Grassart, Abbè Pierre die Wahrheit...
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Wir  sollten  die  Beduinen  in  ein  städtisches  Proletariat
         transformieren: Industrie, Dienstleistung, Ackerbau etc.
         Tatsächlich wird dies eine große Veränderung bedeuten:
         der Beduine wird nicht mehr mit seinen Herden auf sei-
         nem Land leben, sondern er wird ein Städter werden, der
         nachmittags nach Hause kommt und in seine Pantoffeln
         schlüpft. Seine Kinder gewöhnen sich an einen Vater, der
         Hosen trägt und kein Schwert mehr im Gürtel hat etc. Die
         Kinder  werden  mit  ordentlich  gekämmtem  Haar  zur
         Schule gehen.

         Es  wird  einer  Revolution  gleichkommen,  aber  es  kann
         innerhalb von zwei Generationen verwirklicht werden.

         Ohne Zwang, aber durch staatliche Führung wird dieses
         Phänomen des Beduinen verschwinden.

         (Interview in Ha-Aretz am 13.7.1963)


         40 Jahre später:
         Inzwischen wurden speziell für die Beduinen der Negev
         (heute sind es etwa 120.000) sieben Städte gebaut, alle
         auf dem Gebiet des ehemaligen Reservates. Der Staat ist
         bemüht,  diejenigen  Beduinen,  welche  außerhalb  der
         Städte in kleinen Siedlungen leben, von dort zu vertrei-
         ben. Diese Siedlungen sind vom Staat offiziell nicht aner-
         kannt, gelten also als illegal und werden daher nicht mit
         Infrastruktur  versorgt.  Das  bedeutet:  Es  gibt  dort  keine
         Elektrizität, kein fließendes Wasser, keine Straßen, keine
         Schulen usw. Der Bau fester Häuser ist dort verboten.






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