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Auszüge aus dem Diskussionsverlauf
Moderation: Siglinde Lang
SIGLINDE: Seht ihr mit_ein_ander(s) als aussprechen und im Dialog bleiben, aber auch
Programm oder als etwas, das sich entwickelt die Formulierung der Einladung oder das
– oder beides? Format hinterfragen.
MARCEL: Bei der Vorbereitung auf den heu- ONUR: Bei dem Projekt ‚Wandel‘ im Pongau
tigen P-ART Impuls habe ich gemerkt, dass ich musste ich Werbung für die Abschlussveran-
mit dem Begriff ‚programmatisch‘ ein bisschen staltung machen. Da habe ich gemerkt, dass es
Mühe habe. Ich glaube, Vielfalt, ein Miteinander nicht nur gewisse Gesellschaftsschichten sind,
oder auch ein kreatives Agieren über Differenzen die sich versperren, sondern auch ganz nor-
hinweg kann entstehen, aber ich finde sehr male Menschen sagen: „Mich interessiert Kunst
schwierig, so etwas am Reißbrett im Voraus und Kultur nicht.“ Wenn sich diese Wände
zu planen. Ich habe viel Erfahrung damit, auftun, frage ich mich, wie ich es schaffen kann,
Menschen zusammenzubringen, aber keine diese Leute zu begeistern und zu motivieren.
Strategie, um das programmatisch anzugehen. Ich will sie ja nicht zwingen. Ich habe dann ge-
Das ist nicht meine Art. Ich bin eher jemand, sagt: „Schau mal, wir zeigen dir, dass Kreieren
der die Dinge entstehen lassen möchte. etwas Schönes sein kann. Wir bringen hier
ONUR: Hier bei meinem Projekt in Lehen Künstler ins Land Salzburg.“ Am Ende war das
war es sehr chaotisch. Wir mussten die Kino in St. Johann voll. Irgendwie haben wir es
Menschen abholen, weil sie ja nicht wussten, geschafft, die Leute zu überraschen und auch
was sie überhaupt mit Kunst und Kultur zu einen Wandel in ihren Köpfen zu bewirken. Sie P-ART IMPULS
tun haben. Es wird auch abgewertet: „Kunst? haben realisiert, dass sie offen sein müssen,
Keine Ahnung! Kultur? Ich hab eh meine wenn etwas Neues da ist.
eigene Kultur.“ Die Brunnenpassage in Wien SIGLINDE: Ich glaube, das liegt einfach auch
ist so im Kulturgeschehen drinnen, dass da an deiner Begeisterung und dann springt der
auch ein Verkehr ist, aber hier sind alle Leute in Funke über. Dieser Funke ist, glaube ich, ganz
ihren Wohnungen. Sie herauszulocken und zu wesentlich.
motivieren ist herausfordernd.
MARCEL: Es gibt auch Menschen, die wollen PUBLIKUMSFRAGE: Für mich dreht sich die
nicht teilnehmen. Bei dem Projekt in München ganze Diskussion darum, wie man in der
war es mit den Straßenverkäufern frustrierend, programmatischen Arbeit trotz aller Profes-
zu spüren, dass es wenig Interesse für Kunst sionalität nicht alles verplant und Räume
und Kultur gibt. Zum Teil liegt das auch daran, für das Unvorhergesehene lässt. Wie schafft
dass sie nach einem langen Tag des Verkaufens man, programmatisch den Weg zwischen
keine Ressourcen und Energie dafür haben. Für strukturierter Programmplanung und trotzdem
mich ist es wichtig, das zu respektieren. Alle Spontaneität?
Menschen haben sehr verschiedene Vorausset- ANNE: Wir sind immer am glücklichsten,
zungen, um sich auf ein Miteinander einzulas- wenn so viel wie möglich, offen ist. Natür-
sen. Das hat für mich auch zu dieser Vorsicht lich muss ich trotzdem mal eine Einreichung
dem programmatischen Miteinander gegen- machen und habe dann fixe Daten oder, wenn
über geführt hat. ich mit großen Häusern zusammenzuarbeite,
SIGLINDE: Man kann ja nur Einladungen muss ich auch zwei Jahre im Voraus planen.
aussprechen und jemand kann sie annehmen Das Tolle bei uns ist, dass wir unseren Spiel-
oder ablehnen. Ich kann die Einladung öfter plan einmal im Monat herausgeben – wir
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