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Die Bundesligareportage (Teil 1)

Die erste Bundesligadoppelrunde am 18. und 19. Oktober in den Pla-
tinlogen des Weserstadions fiel zeitlich mit dem großen Bahnstreik
zusammen. Luke McShane, der am Freitagabend seinen Flug in
London verpasst hatte, wurde von Bundesligamanager Olaf Stef-
fens auf den nächsten Flug nach Hannover gebucht. Luke erwisch-
te in Hannover gerade noch den letzten fahrenden Zug und kam am
Samstagmorgen um Viertel vor zwei kurz vor Beginn des Ausstandes der
Lokführer in Bremen an. Zwölf Stunden später sah er noch nicht wirklich fit aus und der
designierte neue Werderpräsident Dr. Hubertus Hess-Grunewald fragte mich, ob Luke eine
Grippe habe.

                                  Es ist vorbildlich, dass Luke trotz der Um-

                                  stände eine Kampfpartie gegen den Dä-

                                  nen Sune Berg Hansen letztlich zum Sieg

                                  führte. In einer ruhigen spanischen Partie

                                  mit 4.d3 auf die „Drohung“ der Berliner Va-

                                  riante (3. ... Sf6) passierte über weite Stre-

                                  cken recht wenig. In einem leicht besseren

                                  Endspiel mit allen Schwerfiguren und un-

                                  gleichen Läufern konnte der Engländer sei-

                                  ne Klasse ausspielen und triumphierte mit

Luke McShane                      einem typischen Qualitätsopfer nebst Ein-
                                  dringen des Königs. Am Spitzenbrett hatte

Alexander Areshchenko den in dieser Partie überfordert wirkenden „Schachprinzen“ Ras-

mus Svane mit leichter Hand überspielt. Rasmus versuchte sein Glück mit dem Trompow-

sky-Angriff, aber er kämpfte bereits im frühen Mittelspiel um den Ausgleich. Die Bedenkzeit

lief ihm weg und er verlor chancenlos. An den Brettern drei und vier produzierten die beiden

Tschechen Zbynek Hracek und Vlastimil Babula schnelle Remisen, sodass meine Prognose

von 3-1 für uns an den ersten vier Brettern tatsächlich aufging. Für die letzten vier Bretter

war ich wesentlich skeptischer und hatte die Chancen als völlig ausgeglichen eingeschätzt.

Dass wir am Ende an den hinteren Brettern mit 2,5-1,5 die Nase vorne hatten, lag an der

Zähigkeit unseres Neuzugangs, des Australiers David Smerdon, der ein verlorenes Tur-

mendspiel auf wundersame Weise noch Remis hielt. Gerlef Meins und Gennadij Fish spiel-

ten an den beiden letzten Brettern leistungsgerecht unentschieden und Matthias Blübaum

gewann eine schöne Französischpartie, in der er die Überlegenheit des Läufers gegenüber

dem Springer in Stellungen mit beiderseitigen Freibauern instruktiv demonstrierte.

Insgesamt zeigte Werder eine geschlossene Mannschaftsleistung und gewann ohne Nie-
derlage gegen den „Angstgegner“ aus Hamburg mit 5,5-2,5. Man muss allerdings sagen,
dass der HSK aufgrund verschiedener Terminüberschneidungen (beispielsweise traten sei-
ne beiden Spitzenbretter Van Kampen und Duda bei der zeitgleich stattfindenden Junioren-
weltmeisterschaft in Indien an) ohne seine sechs besten Großmeister spielte.

Am Sonntag war der Aufsteiger SCC Rostock gegen ein „punktehungriges“ Werderteam
ohne Chance. Zbynek Hracek griff den Sizilianer seines Gegners mit langer Rochade und
Bauernsturm an. Die Lage war unklar, doch sein Gegner verlor als Erster den Überblick und

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