Page 31 - Es war einmal der Darwinismus
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Harun Yahya





                 Einst glaubte man durchaus, dass Beobachtungen und Versuche positive Antworten auf die oben gestellten Fragen
             geben würden und dass sich Leben spontan aus toter Materie entwickeln könne. Doch die Beobachtungen und

             Experimente, die dies bestätigen sollten, waren extrem primitiv.
                 Die alten Ägypter glaubten, die Zahl der Frösche am Nil nehme während der Regenzeit deswegen zu, weil der Fluss
             diese aus Schlamm bilde. Frösche, Schlangen, Würmer und Mäuse entstanden angeblich in dem Schlamm, den das
             Nilhochwasser jeden Sommer mitbrachte. Oberflächliche Beobachtungen führten die Ägypter  zu diesem Irrglauben.
                 Nicht nur bei den Ägyptern war die Grenze zwischen lebenden und leblosen Dingen nicht eindeutig definiert. Viele
             frühe, heidnische Kulturen glaubten, dass diese Grenze leicht zu überschreiten sei. Nach der hinduistischen Mythologie
             entstand die Erde aus einer gewaltigen Menge Urmasse, Prakriti genannt. Alles Lebende und nicht Lebende entstammt

             dieser Urmasse und wird wieder in diesen Ausgangszustand zurückkehren. Anaximander, Philosoph der griechischen
             Antike und Schüler von Thales, schrieb in seinem Buch Über die Natur, Tiere entstünden aus einem in der Hitze der Sonne
             kochenden, dampfenden Schlamm.
                 Die Grundlage für solchen Irrglauben war die Auffassung, Leben sei einfach strukturiert. In Europa, wo sich die
             moderne Wissenschaft erst im 16. Jahrhundert zu entwickeln begann, hielt sich dieser Irrtum lange. Die Idee von der ein-
             fachen Struktur des Lebens war aber noch mindestens 300 weitere Jahre vorherrschend, weil den Wissenschaftlern nicht
             die Möglichkeiten zur Verfügung standen, die genauen Details lebender Organismen zu beobachten, insbesondere die
             mikroskopisch kleinen Zellen und Moleküle.
                 Einige wenige oberflächliche Beobachtungen und Experimente überzeugten Wissenschaftler davon, dass das Leben

             ganz einfach strukturiert sei. Der belgische Chemiker Jan Baptista van Helmont (1577-1644) etwa verteilte Weizenkörner
             auf einem verschmutzten Hemd. Nach einer Weile beobachtete er, dass Mäuse um das Hemd herumhuschten. Er
             schlussfolgerte daraus, dass die Mäuse aus der Kombination des Weizens und des Hemdes entstanden waren. Der
             deutsche Wissenschaftler Athanasius Kircher (1601-1680) führte ein ähnliches Experiment durch. Er goss Honig über tote
             Fliegen und sah später, wie andere Fliegen um den Honig herumschwirrten. Er nahm an, dass aus der Kombination
             Honig mit toten Fliegen lebende Fliegen entstehen.
                 Aufmerksamere Forscher waren in der Lage zu erkennen, dass diese Ansätze falsch waren. Der erste Wissenschaftler,

             der diesbezüglich Experimente unter kontrollierten Bedingungen durchführte, war der Italiener Francisco Redi (1626-
             1697). Mit Hilfe der Isolationsmethode, entdeckte er, dass Maden nicht von selbst entstehen, sondern sich aus von Fliegen
             ablegten Eiern entwickeln. Redi wies nach, dass Leben nicht aus toter Materie entstehen kann, sondern nur durch anderes
             Leben, eine Sichtweise die als Biogenese bekannt wurde. Die spontane Entstehung von Leben wurde als Abiogenese beze-
             ichnet.
                 Die wissenschaftliche Auseinandersetzung zwischen den Verfechtern der Biogenese und der Abiogenese wurde von
             John Needham (1713-1781) und Lazzaro Spallanzani (1729-1799) bis in das 18. Jahrhundert fortgesetzt. Beide führten
             einen Versuch aus, in dem sie ein Stück Fleisch kochten und es dann isolierten. Needham beobachtete, dass Maden auf
             dem Fleisch erschienen und nahm das als Beweis für Abiogenese. Spallanzani kochte das Fleisch länger. So wurden alle

             organischen Lebensformen zerstört und es entwickelten sich keine Maden auf dem Fleisch. Obwohl Spallanzani damit
             die Ungültigkeit der Theorie der Abiogenese bewiesen hatte, glaubten ihm viele Leute nicht und behaupteten Spallanzani
             hätte das Fleisch so lange gekocht, dass er die gesamte “vitale Kraft“ darin vernichtet hätte.
                 Als Charles Darwin seine Theorie entwickelte, war die Frage nach dem Ursprung des Lebens durch Diskussionen wie
             diese in die Irre geleitet. Viele Menschen glaubten, obwohl aus toter Materie keine sichtbaren Lebewesen entstünden,
             könnten sich doch Bakterien oder andere Keime bilden. Der berühmte französische Chemiker Louis Pasteur widerlegte
             die uralten Ideen der Abiogenese 1860, trotzdem lebte diese Theorie in den Köpfen vieler Menschen weiter.

                 Darwin schenkte der Frage, wie die erste Zelle entstanden sein mag, kaum Aufmerksamkeit. In seinem Buch Der
             Ursprung der Arten, erschienen im Jahre 1859, erwähnt er dieses Thema nicht. Sogar als Pasteurs Experimente seine
             Theorien in Frage stellten, beschäftigte er sich kaum mit diesem Thema. Seine einzige Erklärung für den Ursprung des
             Lebens war, dass die erste Zelle in einem "warmen, kleinen Tümpel" entstanden sein könnte.




















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