Page 567 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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und wir tödten so mir nichts dir nichts wegen einer erbärmlichen Summe
entwendeten Geldes?
Wenn Einer etwa die Auslegung anwenden wollte, durch jenes Gebot
Gottes sei das Tödten verboten, insoferne nicht das irdische Gesetz das
Tödten erlaubt – was hindert dann, daß die Menschen unter einander
festsetzen, in wie weit Nothzucht, Ehebruch, Meineid zu erlauben sei?
Wenn nun, da Gott verboten hat, nicht nur fremdes, sondern auch das
eigene Leben zu nehmen, die Menschen durch Uebereinkunft unter sich
mittels gewisser gesetzlicher Abmachungen festsetzten, sich gegenseitig
umzubringen, so müßte das die Geltung haben, daß diese sich
untereinander mordenden Spießgesellen von dem göttlichen Verbote
ausgenommen sind, weil ein menschliches Gesetz ihrer Tödtung die
Sanction ertheilt, und müßte das göttliche Recht einem solchen Pakte
zufolge nicht blos so viel Geltung haben, als ihm das menschliche Recht
zu haben verstattet? Und so würde es nach Analogie dieses Falles sich
begeben, daß die Menschen in allen Angelegenheiten statuiren, in wie
weit man es passend finde, die göttlichen Gebote zu beobachten. Kurz
und gut: sogar das Mosaische Gesetz, obwohl rauh und unbarmherzig,
gegen Sklaven und Verstockte erlassen, hat den Diebstahl nur mit Geld,
nicht mit dem Tode bestraft. Glauben wir doch nicht, daß Gott unter dem
neuen Gesetze der Milde, mit dem er uns, seine Kinder, regiert, eine
größere Freiheit gewährt habe, gegen einander zu wüthen.
Aber, daß es nichtsdestoweniger unsinnig und für das Staatswesen
verderblich sei, einen Dieb und einen Mörder gleichmäßig zu bestrafen,
das, glaube ich, weiß ausnahmslos jedermann. Denn, wenn dem
überfüllten Diebe nicht geringere Strafe droht, als wenn er überdies des
Mordes angeklagt wäre, so wird er ja durch diese eine Erwägung schon
zum Morde dessen angereizt, den er sonst blos beraubt haben würde, da
er ja, außer dem, daß ihm bei seiner Ergreifung keine größere Gefahr
droht, sogar im Falle der Ermordung des Bestohlenen sicherer geht,
indem die Hoffnung auf Verheimlichung der Missethat wächst, wenn
derjenige, der als der Betroffene den Hauptzeugen hätte abgeben können,
beseitigt ist. Während wir die Diebe also durch allzustrenge Maßregeln
einzuschüchtern trachten, verlocken wir sie, sich am Leben braver
Menschen zu vergreifen. Nun ist aber meiner Meinung nach die Fragen
welche Bestrafung ist besser? viel leichter zu lösen, als die, welche
schlechter sei. Denn warum bezweifeln wir, daß der Weg zur Bestrafung
von Verbrechen der praktischeste sei, den einst, wie wir wissen, die
Römer so lange beliebt haben, die doch in der Staatsverwaltung die
meiste Erfahrung hatten? Sie verurtheilten nämlich schwere Verbrecher
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