Page 578 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Denn daß diejenigen ganz auf dem Holzwege sind, die da meinen,
                die Armuth des Volkes sei die beste Schutzwehr des Friedens und der
                Ruhe, liegt auf der Hand. Wo gibt es mehr Gezänk und Gebalge als unter

                den Bettlern? Wer sinnt eifriger auf eine Umwälzung der Verhältnisse,
                als derjenige, dem sein gegenwärtiges Leben nicht im mindesten gefällt?
                Wer geht tollkühner daran, einen Zustand herbeizuführen, wo Alles
                drunter und drüber geht, indem er dabei im Trüben zu fischen hofft, als
                derjenige, der nichts mehr zu verlieren hat?
                     Wenn ein König in solcher Verachtung stände, oder seinen
                Unterthanen so verhaßt wäre, daß er sich nur durch Mißhandlungen,

                Beraubungen und Confiscationen in Amt und Würde erhalten kann, und
                dadurch, daß er die Leute an den Bettelstab bringt, so sollte er wahrlich
                lieber abdanken, als sein Reich mit solchen Künsten behaupten, da er
                dadurch vielleicht eine Scheinherrschaft führt, aber der wahren Majestät
                verlustig geht. Denn es ist unter der königlichen Würde, über Bettler zu
                herrschen, sie soll sich vielmehr über Wohlhabende und Glückliche

                erstrecken.
                     So war der erhabene, und mannhafte Geist eines Fabricius gesonnen,
                als er sagte, er wolle lieber über Reiche herrschen, als selbst reich sein.
                Thatsächlich heißt, als Einzelner in Genüssen und Wollüsten
                schwimmen, während ringsherum Alle seufzen und jammern, nicht
                regieren, sondern ein Kerkermeister sein.
                     So wie Der ein ganz unbewanderter Arzt ist, der eine Krankheit

                wieder nur durch eine andere Krankheit zu heilen weiß, so möge der,
                welcher das Leben der Bürger auf keine andere Weise zu reguliren
                versteht, als dadurch, daß er sie aller Annehmlichkeiten des Lebens
                beraubt, nur gestehen, daß er es nicht versteht, über Freie zu herrschen,
                wenn er nicht seine Trägheit oder seinen Hochmuth aufgibt, denn diese
                Laster sind es, die ihm entweder die Verachtung oder den Haß des

                Volkes zuziehen. Er möge harmlos nur von dem Seinigen leben, die
                Ausgaben den Einnahmen anpassen, die Verbrechen einschränken und
                lieber durch treffliche Einrichtungen ihnen zuvorkommen, anstatt sie
                anwachsen zu lassen und dann zu bestrafen.
                     Gewohnheitsmäßig außer Gebrauch gekommene Gesetze erneuere er
                nicht vermessen, namentlich wenn sie längst verschollen sind und
                keinerlei Bedürfniß nach ihnen sich geltend macht! Auch nehme er keine

                solche Buße für ein Vergehen, wie sie der Richter keinen Privatmann als
                etwas Unbilliges und Schädliches nehmen lassen würde. Wenn ich nun
                hier das Gesetz der Makarier, die nicht weit von Utopia ihren Wohnsitz
                haben, vorbringen wollte, deren König, vom Tage seiner





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