Page 580 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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du würdest im philosophischen Gewande die Bühne betreten und eine
Stelle aus der Octavia recitiren, wo Seneca mit Nero disputirt – wäre es
da nicht besser gewesen, du hättest einen stummen Zuschauer
abgegeben, als durch die Recitation von Dingen, die auf die Situation
keinen Bezug haben, eine Tragikomödie aufzuführen? Du würdest
nämlich den Stoff, um den es sich handelt, gänzlich verfälschen und
verderben, wenn du Fremdartiges hineinmischest, wenn auch deine
Beiträge besser sind als die ursprüngliche Hauptsache. In jedem
Theaterstücke spiele nach deiner Rolle aufs bestmögliche und störe nicht
das Ganze, weil dir etwas Anderes in den Sinn kommt, was hübscher
lautet. So verhält es sich im Staate, so im Rathe der Fürsten.
Wenn Du schlechte Gesinnungen und durch die Praxis erworbene
Laster auch nicht mit der Wurzel ausrotten kannst, so darf man deswegen
das Gemeinwohl doch nicht im Stiche lassen, so wenig man das Schiff
verlassen darf, weil man den widrigen Winden nicht Einhalt thun kann.
Ungewohnte Meinungen sind den Menschen nicht einzupfropfen, solche
haben bei vom Gegentheil Ueberzeugten keinerlei Gewicht; du mußt es
auf einem Umwege versuchen und, so viel an dir liegt, in der Sache
gemach verfahren, auch, was man nicht zum Guten wenden kann,
wenigstens so anfassen, daß es so wenig schlecht als möglich bleibe.
Denn daß alle Verhältnisse sich gut gestalten, ist nicht möglich, wenn
nicht die Menschen alle gut sind. Und das, meine ich, wird noch eine gar
hübsche Weile auf sich warten lassen.«
»Auf diese Weise«, versetzte Jener, »würde nichts Anderes erfolgen,
als daß ich, während ich die Thorheit Anderer zu heilen unternehme,
mich selbst mit sammt ihnen närrisch gebärde. Denn wenn ich die
Wahrheit reden will, so muß ich Solcherlei mit ihnen reden. Was das
Reden von Unwahrheit anbelangt, so weiß ich nicht, ob das eine Sache
der Philosophen ist, jedenfalls aber ist es die meine nicht. Obwohl diese
meine Rede Jenen vielleicht nicht zu Danke gesprochen und lästig ist, so
sehe ich aber doch nicht ein, warum sie ihnen bis zum Läppischen
ungewohnt erscheinen sollte.
Wenn ich die Fiktionen eines Plato vorbringen würde oder die
Vorgänge im Staate der Utopier, so möchte das, obwohl diese
Verhältnisse an sich besser wären – wie sie es thatsächlich sind – doch
ganz und gar unangebracht erscheinen, denn wir haben hier ja
Privateigenthum aller Einzelnen, dort gibt es nur gemeinschaftliches
Eigenthum. Mit Ausnahme Derer, denen meine Rede nicht angenehm
sein kann, weil sie bei sich beschlossen haben, auf dem
entgegengesetzten Wege drauf loszustürmen, und jene ihnen die Gefahr,
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