Page 579 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Thronbesteigung an, unter feierlichen Opfern durch einen Eid gebunden
                wird, zu keiner Zeit mehr als tausend Pfund in seinem Schatz zu haben,
                oder eine gleichwerthige Summe Silbers! Dieses Gesetz hat, wie es

                heißt, ein ausgezeichneter König gegeben, dem das Wohl des Vaterlands
                mehr am Herzen lag, als seine persönlichen Reichthümer, gleichsam als
                einen Riegel gegen die Anhäufung so großer Geldsummen, daß dadurch
                das Volk verarmen muß. Denn er sah voraus, daß dieser Schatz genügen
                werde, sowohl im Falle einer Rebellion gegen den König, als einer
                feindlichen Invasion in das Reich, denselben vor Bedrängniß zu
                bewahren. Im Uebrigen aber sei dieser Schatz zu gering, als daß er in

                ihm die Lust erwecken sollte, fremdes Eigenthum an sich zu reißen, was
                hauptsächlich der Grund zur Erlassung dieses Gesetzes war. Der nächste
                Grund aber war der, weil er so den Fall vorgesehen glaubte, daß im
                täglichen bürgerlichen Verkehre das Geld nicht mangle, und da der
                König auszugeben genöthigt war, was dem Schatze über das gesetzliche
                Maß zuwuchs, so glaubte er sich keine Veranlassung gegeben dem Volke

                Unrecht zuzufügen. Ein solcher König werde der Schrecken aller Bösen
                sein und von den Guten geliebt werden.
                     Wenn ich nun dieses und Aehnliches bei Menschen vorbringen und
                einführen wollte, deren Sinnesart ganz entschieden zum Gegentheile
                neigt, was würde ich Anderes thun, als Tauben eine Fabel erzählen?«
                     »Stocktauben, ohne Zweifel«, gab ich zur Antwort. »Aber mich
                wundert das durchaus nicht, und, um die Wahrheit zu sagen, Reden und

                Rathschläge, von denen man gewiß ist, daß sie kein Gehör finden, soll
                man sich enthalten vorzubringen. Denn was kann eine so Unerhörtes
                bietende Rede für Nutzen stiften, oder wie kann sie auf Gemüther
                Einfluß haben, die voreingenommen sind und in denen sich eine
                entgegengesetzte Ueberzeugung tiefstens festgesetzt hat? Im
                vertraulichen Verkehre unter lieben Freunden ist solche Schulphilosophie

                ganz gefällig, aber im Rathe der Könige, wo große Angelegenheiten mit
                großer Autorität verhandelt werden, ist für solche Dinge kein Platz«.
                     »Das ist also das, was ich gesagt habe«, versetzte Raphael, »daß die
                Philosophie bei den Fürsten keine Stätte hat.«
                     »Die Schulphilosophie allerdings nicht«, gab ich zur Antwort, »die
                allerorten und allezeit wohlangebracht zu sein glaubt; aber es gibt eine
                mehr verfeinerte Philosophie, die die örtlichen Verhältnisse, unter denen

                sie auftritt, wohl kennt, sich ihnen anbequemt und ihre Rolle in dem
                Stücke, das gerade gespielt wird, bündig und wohlanständig durchführt.
                Deren mußt Du dich bedienen. Oder wenn irgend eine Komödie des
                Plautus gespielt wird, wo die Haussklaven unter sich Possen treiben, und





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