Page 60 - Mariazell 2016
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"Weg der Barmherzigkeit"
Fremde in mein Haus bringt, was er mir zu sagen hat. Der Fremde stellt mein
eigenes Lebensgebäude infrage. Er zeigt mir neue Weisen, wie ich leben
könnte. Ich soll ihn nicht nur aus Mitleid aufnehmen, sondern immer auch im
Glauben, dass im Fremden Christus selbst mir begegnet. Der Hebräerbrief
mahnt die Christen: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie
haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.“ (Hebr 13,2) Die
Engel lassen immer ein Gastgeschenk da, wenn sie aufgenommen werden.
Jesus – ein Fremdling.
Matthäus lässt uns verstehen, warum Jesus sich selbst mit dem Fremden
identifiziert: „Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich
aufgenommen.“ (Mt 25,35) Jesus muss schon als Kind nach Ägypten fliehen,
weil ihm Herodes nachstellt und ihn töten möchte. So wird Jesus ein
Fremdling. Wie Israel in Ägypten als Fremder gelebt hat, so auch Jesus. Er muss
etwa drei Jahre in Ägypten bleiben, bis Herodes stirbt. Weil Jesus selbst als
Fremder in Ägypten gelebt hat, begegnen wir in jedem Fremden Christus.
Jesus hat eine besondere Nähe zu den Fremden. Wenn wir daher einen
Fremden aufnehmen, nehmen wir letztlich Christus selbst auf.
Benediktinische Gastfreundschaft.
Der hl. Benedikt ermahnt seine Brüder zur Gastfreundschaft. Er hat ein eigenes
Kapitel über die Aufnahme der Gäste geschrieben. Auch heute noch versucht
jedes Benediktinerkloster die Gastfreundschaft hochzuhalten. Auch heute ist es
so wie zur Zeit Benedikts, dass nicht nur Gläubige kommen, sondern viele
Kirchenferne, viele, die sich auf die Suche machen und mit der Hoffnung in ein
Kloster kommen, dort in eine andere Welt einzutauchen, die sie in Berührung
bringt mit ihrer eigenen spirituellen Sehnsucht.
Podersdorfer Wallfahrt 2016 Seite 55