Page 26 - SELIGSPRECHUNG VON GALENS
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dazu  auf,  die  Seligsprechung  abzublasen:    nationalsozialistischer   Regierung     zu
                 Der  Kirchenmann  habe  der  Demokratie         zweifeln.  Wie  so  viele  andere  Geistliche
                 feindlich  gegenüber  gestanden  und  den       befand er sich in einem Dilemma: Laut den
                 Angriffskrieg  der  Nationalsozialisten  offen   Römer-Briefen  kommt  jede  staatliche
                 unterstützt.   Es    stehe    nun     "die      Gewalt  von  Gott.  Was  aber,  wenn  die
                 Glaubwürdigkeit  der  Kirche  mit  ihren        weltliche  Obrigkeit  die  göttlichen  Gebote
                 Friedensbemühungen auf dem Spiel", heißt        zunehmend missachtet?
                 es.
                                                                 Von     Galen,     dessen     intellektuelle
                 Tatsächlich   zeichnen    Historiker   ein      Fähigkeiten  anfangs  von  vielen  seiner
                 komplexeres Bild von Galens, als  es seine      Kollegen als begrenzt eingeschätzt wurden,
                 anstehende     Beatifikation    vermittelt.     predigte  seinen  Gläubigen:  "Treue  halten,
                 Keineswegs  sei  von  Galen  die  ganze  Zeit   Taufgelübde  halten,  Obrigkeit  gehorchen,
                 auf    Konfrontationskurs      mit     den      beten."  Insgeheim  aber  lieferte  sich  der
                 Nationalsozialisten   gewesen,    berichtet     starrsinnige  Gottesmann  längst  einen
                 Hubert      Wolf,       Professor      für      bürokratischen  Kleinkrieg  mit  Gauleitern
                 Kirchengeschichte  an  der  Westfälischen       und Ministern. Mehrmals  bat  er schriftlich
                 Wilhelms-Universität Münster. "Von Galen        Reichskanzler  Hitler  um  den  Schutz  der
                 hat schwer und lang mit sich gerungen, ob       Kirchen,     den     der     Führer     im
                 er  diesen  Schritt  tatsächlich  gehen  will",   Reichskonkordat  zugesagt  hatte  -  eine
                 sagt Wolf.                                      Antwort erhielt er nie.

                 Stattdessen  biederte  sich  der  Bistumsherr   Von  seinen  Amtskollegen  konnte  er  kaum
                 anfangs  sogar  heftig  Hitler  an.  "Als       Hilfe  erwarten.  Ob  die  Nazis  kritische
                 Vaterlandsliebende  stehen  wir  hinter  dem    Hirtenbriefe    beschlagnahmten       oder
                 Führer,  den  Gottes  Vorsehung  auf  diesen    Schauprozesse  gegen  Geistliche  führten  -
                 Posten berufen hat", schwärmte er bei einer     Kardinal    Bertram,     der    zaudernde
                 Ansprache  im  Januar  1934.  Wie  so  viele    Vorsitzende der Fuldaer Bischofskonferenz,
                 andere  Nationalkonservative  hoffte  der       der  Vorgängerorganisation  der  Deutschen
                 adelige    Geistliche,    unter     einem       Bischofskonferenz,     reagierte    darauf
                 Reichskanzler  Hitler  könne  Deutschland       höchstens  mit  einer  diskreten  Eingabe  bei
                 den  "schmachvollen"  Versailler  Vertrag       der  Regierung.  Mit  einer  kleinen  Gruppe
                 endlich abschütteln.                            gleichgesinnter  Bischöfe  wandte  sich  der
                                                                 entnervte  von  Galen  schließlich  direkt  an
                 Mit dem  Rassenwahn der Nazis  wiederum         Papst  Pius  XI.  und  erreichte  1937  die
                 wollte  er  sich  nie  gemein  machen:  Offen   Veröffentlichung  der  Enzyklika  "Mit
                 attackierte  er  in  seinen  Predigten  die     brennender Sorge", in der sich der Pontifex
                 Ideologien   ihres   Vordenkers     Alfred      deutlich  vom  NS-Regime  distanzierte.
                 Rosenberg,  der  von  einer  nordischen
                 Herrenrasse  phantasierte.  Neuheidentum        Doch  die  Verhaftungen  von  Priestern  und
                 und Irrlehren seien das, urteilte der Bischof.   Enteignungen  von  Kirchengütern  sollten
                 "Die Nation ist nicht das Erste, sie ist kein   andauern.  Auch  von  Galen,  von  der  NS-
                 Gott",  warnte  er.  Dass  diese  Theorien  von   Presse  längst  als  "übler  Hetzredner"
                 seinem so geschätzten Reichskanzler längst      diffamiert, bereitete sich darauf vor, von der
                 umgesetzt  wurden,  wollte  der  Geistliche     Gestapo abgeholt zu werden.
                 nicht                            erkennen.
                                                                 Nach  dem  Kriegsbeginn  am  1.  September
                       „Obrigkeit gehorchen, beten"              1939 erwachte dagegen wieder von Galens
                                                                 patriotisch-nationalistische  Seite.  Deutsche
                 Erst als die Nazis immer mehr katholische       Männer seien nun auf der Wacht, "um das
                 Vereine  und  Bekenntnisschulen  verboten,      Vaterland  zu  schirmen  und  unter  Einsatz
                 begann Galen an der friedlichen Koexistenz      des Lebens  einen Frieden der Freiheit und
                 von      katholischer     Kirche      und       Gerechtigkeit   für    unser    Volk    zu
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