Page 26 - engelthaler-rundschau-34-2020
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GESTALTUNG




                                                                                                                                         VON MANN UND FRAU






                                                                                                                                                   DIE ROLLE DES GESCHLECHTS


                                                                                                                                                             IN DER BILDSPRACHE






                                                                                                                                  Kunstwerke  geben  den  Betrach­  definierten  und  sich  auflösenden   liegend  anzunehmen,  dass  sich  die
                                                                                                                                  ter*innen  einen  Einblick  in  das  In­  Formen. Der Fokus ihrer Bilder liegt   traditionell  angenommenen  Unter­
                                                                                                                                  nenleben  der  Künstler*innen,  ihrer   auf  der  Verdichtung  der  Linien  und   schiede der Geschlechter in der Bild­
                                                                                                                                  Umwelt und ihren Blick auf die Welt.   Formen, welche sich durch die Inten­  sprache  zeigen.  Es  könnte  davon
                                                                                                                                  Müsste  es  dann  nicht  auch  möglich   sivierung der Farben hervorhebt und   ausgegangen werden, dass sich die­
                                                                                                                                  sein, aus ihren Bildern Rückschlüsse   dezentral im Bild positioniert ist.   se  bei  einer  Frau  durch  eine  ver­
                                                                                                                                  auf  das  Geschlecht  der  Kunstschaf­                              meintlich  weibliche  Bildsprache  ar­
                                                                                                                                  fenden zu ziehen?                 Das kreative Handeln wird vorrangig   chetypisch  nach  dem  Venus­Prinzip
                                                                                                                                                                    von unbewussten Prozessen geleitet,   zeigen  könnte,  wie  beispielsweise
                                                                                                                                  In  der  Kunsttherapie  haben  Men­  weshalb die Bildsprache automatisch   eine  runde  Form,  freundliche,  helle
                                                                                                                                  schen die Möglichkeit, kreativ tätig zu   wie ein Fingerabdruck immer wieder   Farben, filigrane Zartheit. Als männ­
                                                                                                                                  werden. Sie können Bilder malen und   sichtbar  wird  und  Rückschlüsse  auf   lich  könnte  demnach  eine  Bildspra­
                                                                                                                                  Skulpturen  gestalten.  Vorerfahrun­  das  Wesen  des  Menschen  gezogen   che  nach  dem  Mars­Prinzip  mit
                                                                                                                                  gen,  Können  und  Talent  sind  dazu   werden können.              harten, geraden Formen, aktiven, di­
                                                                                                                                  nicht  vonnöten  und  auch  nicht  rele­                            rektem  Ausdruck  mit  harten  Kon­
                                                                                                                                  vant. Faszinierend ist zu beobachten,   Hinsichtlich der Gestaltung von Män­  trasten sein.
                                                                                                                                  dass  jeder  einzelne  Mensch  einen     nern und Frauen wäre es nun nahe­
                                                                                                                                  eigenen,  individuellen  Ausdruck                                      Versucht man diese theoretische
                                                                                                                                  in seinen Bildern und Skulpturen                                       Überlegung  in  der  Praxis  umzu­
                                                                                                                                  hat.  Schon  nach  einer  kleinen                                      setzen,  stellt  man  schnell  fest,
                                                                                                                                  Werkserie  lassen  sich  wieder­                                       dass diese Hypothese nicht belegt
                                                                                                                                  kehrende Formen, Farben, Strich ­                                      werden  kann.  So  sind  in  Kunst­
                                                                                                                                  führungen, Atmosphären oder ein                                        werken  in  der  Regel  Elemente
                                                                                                                                  ähnlicher  Bildaufbau  erkennen.                                       beider  Pole  zu  finden.  Es  lässt
                                                                                                                                  Diese  gemeinsamen  Elemente                                           sich kein eindeutiger Zusammen­
                                                                                                                                  bilden  die  „Handschrift“  des                                        hang  zwischen  dem  Geschlecht
                                                                                                                                  Kunst schaffenden. Diese ganz ei­                                      des  Kunstschaffenden  und  der
                                                                                                                                  gene Bildsprache steht unabhän­                                        Bildsprache  erkennen.  Vielmehr
                                                                                                                                  gig  vom  Motiv  oder  Thema  der                                      zeigt  sich,  dass  die  individuelle
                                                                                                                                  Werke.                                                                 Bildsprache und so auch das We­
                                                                                                                                                                                                         sen, die Seele oder der Geist ei­
                                                                                                                                  In den Bildern von Aylin Yilmazel                                      nes jeden Menschen, Anteile bei­
                                                                                                                                  ist  zum  Beispiel  die  wiederkeh­                                    der  Geschlechter  hat.  Dieses
                                                                                                                                  rende  Form  eines  Netzmusters                                        Bewusstsein  sollte  aktiv  in  den
                                                                                                                                  zu erkennen. Ebenfalls auffallend                                      Alltag integriert werden, um sich
                                                                                                                                  sind  die  Hell­Dunkel­Kontraste                                       und  andere  ganzheitlich  wahr­
                                                                                                                                  und die Ambivalenz zwischen klar                                       und annehmen zu können.




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