Page 10 - 3 Mr.Ethanol_Neat
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Geschockt und traurig über diese tragische Entwicklung bot ich ihm an, ein paar
Tage bei mir zu wohnen. Es war ihm peinlich; doch er nahm die Einladung dankend
an. Es tat ihm gut, endlich wieder mal duschen und etwas Nahrhaftes zu sich
nehmen zu können. Bei mir machte sich mein schlechtes Gewissen spürbar; hätte
ich doch damals während der Schulzeit mehr mit ihm gesprochen und ihn in unsere
Clique integriert; doch auch ich gehörte damals zu diesen Feiglingen, welche den
Weg des geringsten Widerstandes wählten und lieber mit dem Strom schwammen.
Nun bin ich jedoch erwachsen(er) und um einige Erfahrungen reicher geworden.
Leider reichten diese Erkenntnis und meine späte Einsicht nicht, Peterchen aus dem
Alkohol-Sumpf zu retten. Die über vier Jahre Abhängigkeit haben seiner Leber
bereits zu sehr zugesetzt. Er sah schlecht aus, war abgemagert, hatte oft mit
Virusinfektionen zu kämpfen; seine Haut war mit juckenden Ekzemen und
Ausschlägen befallen.
Kurz nach seinem 22. Geburtstag im September letzten Jahres ist er gestorben.
Neben vereinzelten "Trinker-Kollegen" war ich der einzige, der ihn auf seinem letzten
Weg begleitet hat und noch immer plagen mich Gewissensbisse. Immer und immer
frage ich mich, wieso gerade er dieser tödlichen Sucht verfallen musste. Auch wenn
mir bewusst ist, dass jeder einzelne allein die Verantwortung für sein Leben trägt und
ich ihn wohl gar nicht von der Sucht hätte befreien können, fühle ich mich mitschuldig
an seinem Leiden und seinem Tod. Regelmäßig besuche ich sein Grab, schmücke
es mit Blumen, verweile einen Moment dort und versuche meine Gedanken zu
ordnen.
Bei einem unserer letzten gemeinsamen Gespräche habe ich ihm und mir
versprochen die Finger vom Alkohol zu lassen. Bis jetzt habe ich mich an dieses
Versprechen gehalten und werde es auch weiter tun.
Quelle: http://www.stockach.de/2452_DEU_WWW.php
Für die meisten Menschen unsichtbar! „Nicht für mich.“