Page 68 - Torries
P. 68

REPORT  NORWEGEN-AUSWANDERER




                                                    1                                      2


                        1   Der gefrostete Truck vor einer
                          Straßenmeisterei auf Senja
                        2   Ein Wintertraum: Am frühen
                          Morgen fährt Bodo Falkenstein
                          durch die weiße Einöde
                        3   Die verschneiten Straßen sind
                          eng und spiegelglatt


             3



































                in wolkenverhangener Morgen auf einer   norwegischer Kollege Halvdan am Abend    Nachdem Falkenstein mit seinem MAN die
                verstopften Autobahn, die Lkw Stoßstange   vor unserem Treffen mit „dem Fahrer eines   hohe Brücke über den Fjord überquert hat, der
           Ean Stoßstange. Trotzdem frisst der digitale   MAN-Tankzugs“, den wir am nächsten Morgen   Senja zur Insel macht, tauchen wir ein in eine
           Tachograf unerbittlich die Minuten, die dann   begleiten wollen, ganz nebenbei erwähnte, dass   andere Welt. Der Winter ist in Senja mehr noch
           später am Tag oder irgendwann die Woche feh-  dieser aus Deutschland stamme.  als auf dem Festland das, was man eigentlich
           len werden. Und beim nächsten Stopp wieder                                   darunter versteht. Eine Jahreszeit, in der ein
           nur genervte Kollegen oder schlimmer: Die   DIE LANDSCHAFT WIRKT WIE EIN TRAUM   Landstrich unter Schnee und Eis verschwindet.
           „Rampenkönige“ der Supermarktketten, denen   AUS NEBEL UND WIRBELNDEN FLOCKEN  Nein, nicht verschwindet: Die Landschaft wirkt
           es sadistische Freude zu bereiten scheint, die   Ein Deutscher, den es ausgerechnet in den kal-  in der langen Dämmerung mit ihrer weißen
           Lkw-Fahrer nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen.  ten Norden Norwegens verschlagen hat? In die    Decke viel dramatischer als im Sommer,
              Es gibt unzählige Lkw-Fahrer, deren Tage so   Region Tromsø, wo die Straßen schmal und    manchmal unwirklich konturlos, wie ein
           aussehen. Freiheit und Abenteuer und ein   kurvig sind und der Winter noch für Abenteu-  Traum, der sich in Nebel und wirbelnden Flo-
           selbstverantwortliches Leben zwischen Laden   er sorgt? Wir treffen den 41-Jährigen frühmor-  cken auflöst und dann wieder wie ein kaltes, auf
           und Entladen? Kaum mehr in diesem Job. Heu-  gens an einer Shell-Station am Stadtrand von   die Farben Schwarz, Weiß und Grau reduziertes
           te arbeiten Fahrer, vor allem wenn sie in den   Finnsnes, um ein paar Fjorde herum südwest-  Bühnenbild. Der nahe Atlantik sorgt für unste-
           dicht besiedelten Ballungsräumen Europas un-  lich von Tromsø. Nach Flakstadvåg auf die    tes Wetter: Manchmal verändern dann Sonne
           terwegs sind, unter anderen Voraussetzungen.   Insel Senja müsse er fahren, erzählt Bodo, und   und Wolken das Zusammenspiel von Bergen
              Für Bodo Falkenstein sind das alles nur noch   dort Fischabfälle laden. Was sich nach einem   und Meer innerhalb weniger Minuten mit
           Erinnerungen an eine vergangene Zeit. Er hat   Auftrag anhört, der Unbedarften möglicherwei-  geradezu dramatischen Stimmungswechseln.
           seinen Traumjob gefunden – wenn auch auf    se die Nase reizen oder auf den Magen schlagen   Hier im Norden sind die Tage um diese Jah-
           Umwegen. Es war eine Überraschung, als mein   könnte ... Doch es kommt ganz anders.   reszeit noch erheblich kürzer als in der Mitte










           68 Trucker  1/2017
   63   64   65   66   67   68   69   70   71   72   73