Page 5 - Nordkurier (+10.01.2017)
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Dienstag, 10. Januar 2017 Mecklenburg−Vorpommern Seite 5
Was bei der Untersuchung von
Stromtrassen alles auftaucht
Von Ralph Sommer Die Funde könnten auf
eine steinzeitliche Siedlung
Bevor Kabel und Pipelines vor dem heutigen südlichen
durch die Ostsee verlegt Boddenufer deuten, deren
werden dürfen, müssen Standort noch nicht bekannt
Taucher die Trassenverläufe ist. Möglicherweise habe sie
auf Unterwasserdenkmäler sich weiter westlich oder öst-
untersuchen. Vor Lubmin lich der Kabeltrasse befun-
wurden sie fündig. den, sagt der Experte.
Insgesamt hatten die
LUBMIN. Das Kabellegeschiff Taucher des Spezialschiffes
„Bodo Constructor“ hat das „Goor II“ im 90 Kilometer
erste Seekabel für das Off- langen Trassenverlauf durch
shore-Windparkprojekt „Ost- den Greifswalder Bodden bis
wind 1“ zum Anlandungs- zum Adlergrund 21 archäo-
leerrohr etwa 800 Meter vor logische Verdachtspositionen In fünf Metern Tiefe untersuchen Stephanie Härbele und
dem Strand von Lubmin ge- untersucht. An der Bodden- Felix Budich am Fundort „Mönchgut 101“ vor Rügen eine
bracht. Dann wurde der ton- randschwelle vor Rügens Ansammlung von Kalksteinen, unter denen Archäologen ein
nenschwere Strang mit einer Halbinsel Mönchgut zum gesunkenes Wrack vermuten. FOTO: MARTIN SIEGEL
Hochleistungswinde durch Beispiel hatten sie unter
die Stahlröhre an Land ge- Steinladungen Reste von bis- haben die Archäologen in- 2009 eines der unter Denk-
zogen, durch die Reste eines lang noch nicht bekannten zwischen mit Voruntersu- malschutz stehenden Wracks
steinzeitlichen Auwaldes. Schiffswracks entdeckt. chungen des Verlegekorri- aus der Kette entnommen
Im nicht einmal zwei dors für die Zwillingsstränge worden, um eine Lücke für
Meter tiefen Wasser, etwa Schiffswrack musste für der zweiten Erdgaspipeline die Gasleitung zu schaffen.
200 bis 300 Meter vor der die erste Trasse weichen von Russland nach Deutsch- Die in Dänemark untersuch-
Küste waren Unterwasser- In einem Fall fanden sie etwa land begonnen. Die „Nord ten Hölzer wurden in Polyet-
archäologen bei Vorunter- 170 Meter südwestlich der Stream 2“ soll nach Angaben hylenglycol konserviert und
suchungen der Kabeltrasse ehemaligen Schiffsladung des Konsortiums ab 2018 pa- befinden sich mittlerweile
auf Baumstubben, Wurzel- hölzerne Fragmente. „Wir rallel zur bereits in Betrieb in einem Speziallager des
reste und Torfmudden ge- schließen daraus, dass das befindlichen Leitung gebaut Landesamtes für Kultur und
stoßen, Relikte eines etwa Schiff seinerzeit gekentert werden. Als kompliziert gilt Denkmalpflege bei Schwerin.
6000 bis 7000 Jahre alten war, daraufhin die Dolomit- die Führung des 1,20 Meter Die Lücke reiche für den
Urwaldes. „Zugleich gelang steine verloren hatte, ab- dicken Rohrstrangs durch zweiten Doppelstrang ver-
es uns, archäologische Arte- getrieben und dann erst ge- eine historische Wrackkette, mutlich nicht aus, sagt Hen-
fakte aus der Mittelsteinzeit sunken war“, sagt Schaake. die südlich von Mönchgut in ning Kothe, Projektleiter
zu sichern“, sagt Kai Schaake „Wir gehen davon aus, dass knapp drei Metern Tiefe liegt. für die Nord Stream 2. Nach
von der Spezialfirma UWA- sich etwa ein Meter tief im Aufgereiht wie eine Angaben von Unterwasser-
Logistik. „Zu den Zeugnissen Sand noch beachtliche Tei- 980 Meter lange Perlenkette archäologe Schaake werde
menschlicher Anwesenheit le des vermutlich aus dem befinden sich dort 15 Wracks, gegenwärtig geprüft, ob ein
zählen sogenannte Kernstei- 14. oder 15. Jahrhunderts stam- die 1715 von der schwedi- oder zwei weitere Wracks ge-
ne, aus denen unsere Vor- menden Schiffes befinden.“ schen Marine zum Schutz borgen werden müssen.
fahren einst scharfe Klingen Nach der Trassenunter- vor feindlichen Flotten ver-
für Werkzeuge und Waffen suchung für die Stromkabel senkt worden waren. Beim Kontakt zum Autor Die Rohre der Stromtrasse „Ostwind 1“ an der Anlandestelle bei
abgeschlagen hatten.“ des Netzbetreibers 50Hertz Bau der ersten Pipeline war r.sommer@nordkurier.de Lubmin wurden ein Jahr vor den Seekabeln verlegt. FOTO: ST. SAUER
Blutkrebs: Junge Mutter Im Müritz-Nationalpark
braucht dringend Spender wird immer weniger gejagt
Von Katja Richter Von Winfried Wagner zent der Parkfläche, darunter DDR-Ministerpräsident Willi
am bekannten Ostufer der Stoph dort privilegierte Jagd-
Zwei Mal schon hat Sabine Im Müritz-Nationalpark hat Müritz und im Unesco-Welt- sitze hatten. Mit dem künst-
Küster den Krebs besiegt. das Wild viel Ruhe. Um naturerbe-Buchenwald bei lich hohen Wildbestand hatte
Doch jetzt ist er wieder Felder und junge Bäume vor Serrahn, gar nicht gejagt. der 1990 gegründete Natio-
ausgebrochen. Schäden zu schützen, wird „Das Wild weiß das und steht nalpark lange zu kämpfen.
zwar weiter gejagt – aber gern lange am Ostufer“, sagt „Der Wildbestand ist aber
MEIERSBERG. Es ist ein Hilfe- immer kürzer. Revierförster Peter Barofke. seit Jahren auf ein vernünfti-
ruf von der Familie und von Erst bei strengem Frost, wenn ges Maß geschrumpft“, sagt
Freunden. Alle haben nur die- SCHWARZENHOF. In den Wäl- Wassergebiete zufrieren und Escher.
sen einen Wunsch: Ihrer Sa- dern rund um Schwarzenhof Tiere im Eis einbrechen und Sollten vor wenigen Jah-
bine möge es endlich wieder im Müritz-Nationalpark hat sich blutige Läufe holen, ren noch bis zu 2000 Tiere
besser gehen. Dafür braucht am Montag eine der letz- ziehen sie auf Felder und in im Nationalpark geschossen
„Biene“ jedoch dringend ten Drückjagden der Saison Nachbarwälder. Dazu kom- werden, sind es jetzt maxi-
einen Stammzellenspender. 2016/17 stattgefunden. Etwa me, dass Jagden möglichst mal 1600. Wegen der mil-
„Seit zehn Jahren dreht sich 60 Jäger waren mit Hunde- nur kurz seien. den Winter habe die Zahl der
alles um die Krankheit“, er- Sabine Küster braucht einen Stammzellenspender und die führern auf Pirsch und ha- An vielen Standorten steht Wildschweine zugenommen.
zählt Mutti Kerstin Doliva kleine Wicky braucht ihre Mama. FOTO: KATJA RICHTER ben 16 Rehe und Hirschkühe, Kiefernwald, der nach und Um die Vogelgrippe einzu-
aus Meiersberg. Ihre Tochter zwei Stück Rotwild, ein Wild- nach durch Laubwald ersetzt dämmen, dürfen ausnahms-
Sabine erkrankte 2006 das lenspenderin gefunden. Am weiß genau Bescheid“, er- schwein und einen Keiler ge- werden soll. Rehe und Hir- weise Füchse, Waschbären
erste Mal an Leukämie. Sie 11. Juni 2013 erhielt die jun- zählt Kerstin Doliva. Bis ein schossen. „Wir sind damit zu- sche „lieben“ aber Rinde und und Marderhunde geschos-
hatte gerade ihre Lehre ab- ge Frau das Knochenmark der neuer Stammzellenspender frieden“, sagt Jagddezernent Blätter frischer Sprösslinge. sen werden. Sie würden
geschlossen. „Es war damals Spenderin. Die beiden jungen gefunden ist, bekommt Sabi- Stefan Escher. So müsse der Wald vor Ver- untersucht, ob sie die Ge-
ein Schock für uns alle. Aber Frauen haben sich erst im ne die harte Chemotherapie. In einem Schutzgebiet biss geschützt werden. Um flügelpest weiterverbreiten
unsere Sabine hat gekämpft.“ vergangenen Jahr auf einer Sie wird es schaffen. Daran wie dem Müritz-National- Schwarzenhof unweit vom können, wenn sie beispiels-
Ein halbes Jahr Kranken- Gala der Deutschen Knochen- glauben Familie und Freunde park – mit 31 000 Hektar sumpfigen Specker Horst weise einen infizierten Vo-
hausaufenthalt in Neubran- markspenderdatei (DKMS) ganz fest und suchen gemein- größter Land-Nationalpark in gab es schon immer viel Wild. gel gefressen haben. „Wir
denburg, die Chemotherapie kennengelernt und stehen in sam einen Spender. Deutschland – gehe es nicht Das wurde verschärft, als in haben erst etwa 20 Füchse
und eine medikamentöse An- engem Kontakt zueinander. Freundin Carmen hat ein ganz ohne die Jagd. Es fehlten der NS-Zeit ein Freund von geschossen“, erklärt der
schlussbehandlung brachten Doch im vorigen Herbst Flugblatt gestaltet. In sozia- Raubtiere, die Rot-, Damwild, Hermann Göring und danach Jagddezernent.
Erfolg. Alles schien soweit wollte die Erkältung der len Netzwerken rufen sie zur Rehe und Wildschweine re-
gut, und dann geschah das, damals 29-Jährigen nicht Stammzellenspende auf und duzieren. Außerdem liege der
was niemand für möglich ge- abklingen, und die böse Ah- leiten den Hilferuf weiter. Nationalpark eingebettet in
halten hätte. Die junge Frau nung bestätigte sich: Die Kerstin Doliva hat das Blatt eine Kulturlandschaft und
wurde schwanger, und 2010 Krankheit brach ein drittes überall verteilt. Im Flugblatt Landwirte wollten auch et-
kam Töchterchen Wicky zur Mal aus. Drei Jahre lang hat wird erklärt, wie einfach es was von ihren Feldern ernten.
Welt. „Sie ist unser Wunder- Sabine Küster ihre schönen ist, sich für eine Stammzel- Doch es wird im National-
kind und der ganze Halt von Haare wachsen lassen. Jetzt lenspende registrieren zu park weniger gejagt. Ein Ziel
Sabine“, sagt Oma Kerstin. sind sie durch die erneute lassen. Auf der Internetseite sei, dass Besucher des Parks
2013 kam der Blutkrebs Chemotherapie alle wieder der DKMS erhält man das Re- mehr Wild sehen, erläutert
zurück. Hoffen, Bangen und ausgefallen. gistrierungsset. Darin ist alles Schutzgebietssprecherin
Zittern bestimmten erneut Zurzeit wird die junge enthalten. Nach dem Wan- Nora Künkler. Das klappe
den Alltag der Familie. Sabine Mutter im Greifswalder Kli- genabstrich wird das Set an schon: Durch mehr Jagd-
ertrug eine erneute Chemo- nikum behandelt. Fast täg- die DKMS zurückgesandt, und ruhe seien diese Chancen
therapie, und glücklicher- lich besucht sie die Familie. die Gewebemerkmale werden inzwischen viel besser. So Eine der letzten Drückjagden der Saison fand am Montag im
weise wurde eine Stammzel- „Unsere Wicky fragt viel und registriert. www.dkms.de wird seit Jahren auf 25 Pro- Müritz-Nationalpark statt. FOTO: BERND WÜSTNECK
AZD DZ MST MSM NBN NBS